Moskau/Kiew.

Der zerstörte Strommast liegt auf einem Acker in der Südukraine. Durch die Kabel, die von hier aus auf die Halbinsel Krim führen, fließt keine Energie mehr. Mit Sprengsätzen haben Unbekannte den mächtigen Mast zu Fall gebracht. Auf der vom Stromnetz abgeschnittenen Schwarzmeerhalbinsel wird der Notstand ausgerufen. Die Führung der Krim erklärt den heutigen Montag wegen des Energiemangels zum arbeitsfreien Tag.

Zuletzt war es bei internationalen Verhandlungen still geworden um das von Russland annektierte Gebiet. Die Sabotage könnte die Krim wieder stärker ins Bewusstsein rücken.

Schlagartig sei der Strom weg gewesen, so schildern russische Medien den „Blackout“. Internet, Fernsehen, Heizung: Nichts geht mehr unmittelbar nach dem Anschlag in der Nacht zum Sonntag. Rund zwei Millionen Menschen auf der Krim sitzen im Dunkeln. Auch die mit rund 70 Kilometer längste Trolleybus-Linie der Welt von Simferopol nach Jalta, sonst ein beliebtes Ziel für den Sonntagsausflug, steht still.

Zwar springen etwa in Kliniken und Flughäfen sofort Notstromaggregate an. Auch Radiostationen sind für wichtige Durchsagen mit Strom versorgt. Dieselgeneratoren und mobile Gasturbinen bringen zudem in den Morgenstunden einen Teil der Elektrizität zurück. Das kann aber nicht die 70 Prozent Energie ersetzen, die normalerweise durch vier Leitungen vom ukrainischen Festland auf die Halbinsel fließen.

Der Sabotageakt kommt nicht aus heiterem Himmel. Im Oktober hatte es einen ersten Anschlag gegeben. Unübersehbar deutlich wurde die Gefahr dann am vergangenen Freitag, als unweit der Grenze zur Halbinsel zwei Strommasten nach Explosionen zu Boden stürzten – zu Fall gebracht vermutlich durch Antipanzerminen. In zwei anderen Masten bei Tschaplynka klafften Löcher im Metall, ebenfalls von Detonationen. Anschließend befestigten unbekannte Aktivisten Nationalflaggen der Ukraine und eine Krimtataren-Fahne daran und behinderten die Reparaturtrupps.

Am Samstag rückt die Polizei bei den Strommasten an, die hier auf freiem Feld zwischen abgeernteten Feldern und ein paar Büschen stehen. Sicherheitskräfte verlangen den Abzug der Demonstranten – die sturzgefährdeten Stromleitungen seien gefährlich.

Die Atmosphäre ist geladen, es ist der zweite Jahrestag des Beginns der prowestlichen Proteste auf dem Maidan (Unabhängigkeitsplatz) in Kiew. Es gibt Wortgefechte und Rangeleien, dann angeblich eine Einigung: Reparaturteams sollen durchgelassen werden, heißt es. Doch wenig später stürzen die Masten zu Boden. „Gerade eben war bei Tschaplynka eine Explosion zu hören. Die beschädigten Masten wurden gesprengt“, schreibt der Journalist Osman Paschajew in der Nacht zu Sonntag bei Facebook. Ilja Kiwa von der Polizei bestätigt den Schaden. Die Verantwortung für die Sprengung übernimmt niemand. Die Polizei weist Vorwürfe zurück, sie habe die Stromleitungen nur halbherzig bewacht und so den Anschlag begünstigt. Nur eines ist zunächst sicher: Die Krim steht plötzlich ohne Strom da.

Die Hälfte der Ukrainer ist für eine Blockade der Energieversorgung

Schon seit mehr als zwei Monaten blockieren Angehörige der Minderheit der Krimtataren und auch ukrainische Nationalisten Warentransporte auf die Halbinsel. Sie fordern von der prowestlichen Führung in Kiew auch das Kappen der Stromversorgung. Damit soll die Freilassung gefangener Ukrainer in Russland und das Ende von Einreiseverboten gegen krimtatarische Politiker auf die Halbinsel erreicht werden. In einer Umfrage haben sich 48 Prozent der Ukrainer für eine Energieblockade der Region ausgesprochen. Dies lehnt die Regierung in Kiew aber ab.

Der Kreml arbeitet nun mit Hochdruck an der Errichtung einer Stromleitung vom russischen Festland zur Krim. Dem ukrainischen Abgeordneten Igor Luzenko zufolge soll seit Wochen ein chinesisches Spezialschiff mit der Verlegung eines Kabels beschäftigt sein. Nach dem „Blackout“ dürfte Moskau die Arbeiten beschleunigen.

Um Energie zu sparen, werde der Strom immer wieder für einige Stunden kontrolliert abgeschaltet und die Wasserversorgung eingeschränkt, sagt Michail Scheremet, Vertreter der moskautreuen Führung der Krim. Bei einer Außentemperatur in der Schwarzmeer-Region von plus 18 Grad Celsius bestehe keine Gefahr durch abgeschaltete Heizungen. Die Brennstoffvorräte würden mehrere Wochen reichen.