Belek. G-20-Staaten beschließen einen Aktionsplan gegen den IS. Er erinnert an die Reaktion auf die Anschläge vom 11. September

Die G-20-Staaten wollen gemeinsam gegen den Terror kämpfen. Sie wollen nach den Anschlägen von Paris „die Finanzquellen des Terrors“ austrocknen, die Kommunikation engmaschiger überwachen und vertrauensvoller denn je Grenzschutz- und Geheimdienstinformationen austauschen. So steht es in der Abschlusserklärung der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU-Spitze, die am Montag in Belek verabschiedet wurde. Alle Maßnahmen zielen vor allem darauf ab, die Mobilität der Terroristen einzuschränken.

Mehr ist momentan nicht vorgesehen, vor allem: kein Krieg. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht es vor allem darum, dass alle Staaten „geschlossen und kohärent“ gegen den „Islamischen Staat“ (IS) vorgehen. Frankreich geht davon aus, dass die Drahtzieher des Anschlags in Syrien sitzen. Die Franzosen haben mit Bombardements begonnen, wollen aber die Phase klassischer Vergeltungspolitik bald überwinden. Sie drängen darauf, dass Amerikaner und Russen mit ihnen die Angriffsziele abstimmen; und dass die Briten sich anschließen. Deren Premierminister David Cameron muss allerdings erst noch sein Parlament davon überzeugen.

Hinter den Kulissen des Gipfels hektische Betriebsamkeit: Merkel und Putin sprachen 40 Minuten lang über den Syrien-Krieg. Obama und Putin steckten die Köpfe zusammen. Die Botschaft: Der Terrorkrieg schweißt die Mächtigen zusammen. Waffenbruderschaften kündigen sich an, aber ohne Bundeswehr. „Da sind wir noch nicht“, wehrte Merkel Fragen nach einem deutschen militärischen Eingreifen in Syrien ab. Sie setzt auf die Friedensverhandlungen, die in Wien laufen.

Der saudische König hat ihr versprochen, auf die Rebellen dahingehend einzuwirken, dass sie sich auf einen Waffenstillstand und Verständigung mit dem Regime Assad einlassen. Das wäre die Voraussetzung, um sich in Syrien auf den Krieg gegen den IS konzentrieren zu können. Wenn man Merkel nach dem deutschen Beitrag fragt, verweist sie auf die Waffenlieferungen für die kurdischen Peschmerga.

Politisch sind Merkel die Hände gebunden, solange kein UN-Mandat vorliegt. Deswegen wiederholt sie auch gebetsmühlenartig ihr Plädoyer, die UN einzuschalten. Wenn ein Mandat vorliegt, dann könnte sie im Bundestag für einen Militäreinsatz werben. Aktuell ist sie weit davon entfernt. Es sei nicht absehbar, sagte Merkel in Belek, „welche Aufgaben auf uns zukommen“. Kurzfristig werden andere Staaten die Kastanien aus dem Feuer holen müssen, USA, Russland, Frankreich.

Die konkreteste Folge von Belek für den Antiterrorkampf bleibt der Versuch, dem IS den Geldhahn abzudrehen. Das klingt gut, ist aber ein alter Hut. Frankreich hat bereits nach der Attacke auf „Charlie Hebdo“ im Januar eine solche Initiative ergriffen und sogar den Internationalen Währungsfonds (IWF) eingespannt. Es sind noch nicht alle Regeln verschärft worden – auch in Deutschland nicht –, geschweige denn wird ihre Einhaltung kontrolliert. Hinzu kommt, dass der digitalisierte Zahlungsverkehr die Behörden vor neue Probleme stellt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht von einem „Wettlauf“ mit den Terroristen, die das internationale Finanzsystem für sich nutzen und missbrauchen.

Instrumente, Sprache („Kriege“) und Aktionspläne erinnern an die Reaktion auf die Anschläge auf die Zwillingstürme in New York 2001. Damals war es al-Qaida, das vor allem die USA bedrohte – heute ist es der IS, der offenbar Europa den Krieg erklärt. Für die Annahme sprechen die Abläufe: Erst die Erschießung von vier Personen im Jüdischen Museum in Brüssel, zum Jahreswechsel „Charlie Hebdo“, kurz darauf tödliche Schüsse in Kopenhagen, im Juni die Enthauptung eines Mannes und der Anschlag auf eine Chemiefabrik bei Lyon, wenige Wochen später das knapp vereitelte Massaker im Schnellzug Brüssel–Paris. Diesmal wären also die Europäer besonders gefragt. Werden sie – wie die USA 2001 in Afghanistan – die nächste Eskalationsstufe einleiten, den Krieg in Syrien? Nicht jetzt. Nicht mit Merkel.

Flüchtlingskrise und Klimawandel: Die fast vergessenen G-20-Themen

Fast in Vergessenheit gerät angesichts des Terrors von Paris, dass die G 20 noch eine andere Agenda haben. Sie wollen die Flüchtlingskrise gemeinsam angehen. Die Staaten sagten zu, die vor Bürgerkrieg und Terror flüchtenden Menschen stärker schützen und unterstützen zu wollen. Flüchtlinge sollen Zugang zu Dienstleistungen, Bildung und Möglichkeiten bekommen, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Das globale Wirtschaftswachstum wurde als unausgewogen bezeichnet; es bleibe „hinter unseren Erwartungen zurück“. Wachsende Ungleichheiten bedeuteten Risiken für den sozialen Zusammenhalt. Deshalb wollen die G 20 vor allem „mehr und bessere Jobs“ schaffen und die Jugendarbeitslosigkeit bis 2025 um 15 Prozent senken.

Den Klimawandel bezeichnen sie als eine „der größten Herausforderungen unserer Zeit“, heißt es im Entwurf der Erklärung, der ausdrücklich auch das Ziel benennt, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.