Washington.

Um Nazideutschland zu schwächen, startete Amerika im Zweiten Weltkrieg die Operation „Tidal Wave“. Dabei wurden rumänische Ölfelder unter Kontrolle des Hitler-Regimes zerstört.

75 Jahre später ist „Tidal Wave II“ in vollem Gange. Mit Luftangriffen zerstören US-Kampfjets seit Tagen Ölförderanlagen im Osten Syriens. Erst am Sonntag wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums mehr als 100 Tanklastwagen zerstört. Eine der wichtigsten Geldquellen des Terrornetzwerks „Islamischer Staat“ (IS), der für die Attentate in Paris verantwortlich gemacht wird, soll damit nachhaltig trockengelegt werden.

Experten von US-Finanzminister Jack Lew schätzen die Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf für den IS zuletzt auf rund 500 Millionen Dollar pro Jahr. Nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste verkaufen Mittelsmänner das in den besetzten Territorien produzierte Öl sowohl an syrische Rebellen als auch an das Regime von Diktator Baschar al-Assad und die Kurden.

Das Terrornetzwerk kann sich weitgehend selbst finanzieren

Bereits vor den Anschlägen in Paris ordnete Verteidigungsminister Ashton Carter an, die Ölgeschäfte der Dschihadistenmiliz noch gezielter ins Visier zu nehmen. Fachleute der Denkfabrik Center for American Progress sind aber skeptisch. Zum einen dränge der niedrige Ölpreis das Thema „etwas in den Hintergrund“. Zum anderen sprudelten andere Einnahmequellen des IS wie Bankraub, illegale Besteuerung, Zölle, Erpressung und Lösegeld nach Geiselnahme nach wie vor.

Adam Szubin, Terrorexperte im US-Finanzministerium, gewährte in einer Kongressanhörung in Washington einen Einblick in die organisierte Kriminalität des IS. Das aus dem syrischen Rakka gesteuerte Netzwerk nutzt auch Methoden, die unübersehbar feudalistische Züge tragen. Wie der Terrorexperte Aymenn Jawad al-Tamimi anhand von Dokumenten des Finanzministeriums der ostsyrischen IS-Provinz Deir al-Zur nachwies, bestreitet der „Islamische Staat“ sein Jahresbudget dort zur Hälfte durch die Enteignung von Wohneigentum (vorzugsweise christlicher Minderheiten) und die Konfiszierung von Löhnen und Wertsachen wie Autos. Selbst für die Freigabe von Leichnamen müssten Angehörige in der Bürgerkriegsregion zahlen.

Mit dem Wissen um mehr als 10.000 archäologische Stätten in seinem Gebiet erwirtschaftet der „Islamische Staat“ auch mit Antiquitäten Millionensummen. Dass der Geldfluss nicht versiegt, ist laut US-Regierung für den IS „überlebensnotwendig“. Terrorexperten im Finanzministerium ermittelten, dass die auf 30.000 Kämpfer taxierte IS-Miliz Sold in Höhe von jährlich 360 Millionen Dollar verschlingt. Wer den IS bezwingen will, so ein Finanzexperte, „muss ihm den Geldhahn abdrehen“.