Berlin.

Neue Unruhe in der Koalition: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die ankommenden Flüchtlinge mit einer „Lawine“ verglichen. Ob sie schon im Tal angekommen oder im oberen Drittel des Hanges sei, „weiß ich nicht“, sagte er am Mittwochabend. Ausgelöst hat Schäuble mit dem Vergleich erst einmal: Empörung.

„Ich kann mir das Bild nicht zu eigen machen. Ich würde einen solchen Vergleich nicht wählen“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel gestern. „Menschen in Not sind keine Naturkatastrophe“, pflichtete Justizminister Heiko Maas (SPD) bei. Die Union müsse jetzt zur Sacharbeit zurückkehren: „Es ist jetzt mal genug“, schimpfte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Es ist nicht nur der Vergleich, der Angela Merkels Koalitionspartner irritiert, sondern das Signal: Mit Schäuble verstärkt ein Mann die Missstimmung in der Union, den man lange Zeit für eine Stütze der Kanzlerin hielt. Und jetzt das: Schäuble-Sätze mit gefährlich viel Spielraum für Interpretationen. „Lawinen kann man auslösen, wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang geht (...) und ein bisschen Schnee bewegt“, sagte der Finanzminister. Seither fragt sich das politische Berlin, wer der Skifahrer war. War es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das am 25. August twitterte, für Syrer werde das Dublin-Verfahren „zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitergehend nicht weiterverfolgt“? Oder war es die Bundeskanzlerin mit dem einsamen Beschluss Anfang September, die Grenzen zu öffnen? Schäuble führte das nicht aus.

Mitarbeiter des Flüchtlingsamts üben Kritik an Asylverfahren

Innerhalb des BAMF haben sich die Mitarbeiter mit einem offenen Brief an Behördenchef Frank-Jürgen Weise gewandt und ihrem Unmut Luft gemacht. Ihre Hauptkritikpunkte: Der Verzicht auf eine Identitätsprüfung bei vielen Flüchtlingen sei mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht mehr vereinbar und öffne Terroristen Tür und Tor. Dazu kommen eine viel zu schnelle Ausbildung der neuen Entscheider: Praktikanten entschieden inzwischen nach nur wenigen Tagen über menschliche Schicksale. Die beschleunigten schriftlichen Asylverfahren bei Syrern, Eritreern, manchen Irakern und Asylbewerbern vom Balkan wiesen „systemische Mängel“ auf. Die Identität der Menschen werde faktisch nicht geprüft.