Brüssel/Berlin .

Am Wochenende haben sich die Staats- und Regierungschefs von zehn EU-Ländern darauf geeinigt, wie die Not der Flüchtlinge entlang der Balkanroute gelindert und das Ziel erreicht werden kann, dass künftig weniger Flüchtlinge kommen. Mit am Tisch saßen Vertreter von Serbien, Mazedonien, Albanien und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Der Plan hat 17 Punkte. Hier die zentralen Vorhaben – und was sie bringen:

Humanitäre Hilfe

Auf der Balkanroute sollen 100.000 sogenannte Aufnahmeplätze für Flüchtlinge entstehen. Dort sollen die Menschen eine warme Unterkunft, Nahrung und medizinische Hilfe bekommen – bevor sie weiterreisen. In Griechenland, wo Flüchtlinge erstmals EU-Boden betreten, soll es 50.000 Plätze geben. Entlang der Balkanroute sollen die restlichen 50.000 entstehen. Errichtet werden sollen sie mit Hilfe des UNHCR, das Material und Personal stellen will. Das Geld soll von der EU kommen. Die exakten Standorte stehen noch nicht fest.

Die Plätze sind ein wichtiger Schritt, um die Versorgung der Flüchtlinge zu verbessern und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Aber: Die Bereitschaft von Staaten wie Ungarn oder Serbien, solche Flüchtlingslager im eigenen Land einzurichten, dürfte gering sein. Die Plätze werden auch „nicht morgen oder heute früh in Kraft“ sein, wie Kanzlerin Angela Merkel sagte. Vor allem werden sie nicht reichen, wenn der Zustrom an Flüchtlingen weiter anhält.

Stopp des Flüchtlingszustroms

„Wir werden Flüchtlinge oder Migranten entmutigen, zur Grenze eines anderen Landes der Region zu ziehen“, heißt es im Beschluss des Minigipfels vom späten Sonntagabend. Das „Durchwinken“ der Migrantentrecks zum nächsten Nachbarstaat, ohne diesen zu informieren, soll ein Ende haben. Die Behörden der jeweiligen Länder sollen die Zuzügler registrieren. Slowenien soll Hilfe von 400 Grenzbeamten aus EU-Staaten erhalten.

Wird dieser Punkt umgesetzt, wäre dies ein wichtiger Schritt zu einem geordneten Verteilungsverfahren. Ob Staaten wie Serbien, Kroatien oder Slowenien diese Forderung aber tatsächlich umsetzen, ist noch fraglich. Das kleine Slowenien, wo zuletzt Zehntausende Flüchtlinge gestrandet waren, dürfte weiter überfordert sein. Immerhin saßen die betroffenen Staaten überhaupt erstmals gemeinsam an einem Tisch.

Mehr und schneller abschieben

Flüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl sollen schneller abgeschoben werden. Zudem soll die Zusammenarbeit mit ihren Herkunftsländern – vor allem Afghanistan, Pakistan und andere asiatische Staaten – besser werden. Dafür soll die EU-Kommission ein Rückführungsabkommen etwa mit Afghanistan abschließen.

Dass der Gipfel den Fokus stärker als bisher auf Afghanistan richtet, ist richtig. Die wieder erstarkten Taliban haben mit ihrer jüngsten militärischen Offensive die Lage am Hindukusch verschärft. Das treibt schon jetzt immer mehr Menschen aus dem Land. Wie aber will man erklären, Menschen in dieses Land zurückzuschicken, während Kriegsflüchtlinge aus dem Irak oder Syrien hierbleiben dürfen? Außerdem dürfte es nicht einfach sein, mit der schwachen Regierung in Kabul ein Rückführungsabkommen abzuschließen, das wirklich umsetzbar wäre.

Austausch von Informationen

Die Staaten entlang der Balkanroute sollen seit gestern „Kontaktstellen“ mit Ansprechpartnern haben, um sich gegenseitig über die Flüchtlingstrecks informieren, austauschen und abstimmen zu können.
Solch ein Informationsnetz ist unverzichtbar für die grenzübergreifende Koordination der Flüchtlingshilfe. Da das Verhältnis der Balkanstaaten untereinander zum Teil zerrüttet ist, kann die Abstimmung dadurch nur besser werden. Fraglich ist, ob der Informationsaustausch funktioniert.

EU-Außengrenzen schützen

Die Grenzschutzorganisation der EU, Frontex, soll ihren Einsatz an der bulgarisch-türkischen Grenze ausbauen. Zudem werden neue Frontex-Einsätze an den Grenzen Griechenlands zu Mazedonien und Albanien geplant. Auch der Küstenschutz an der griechisch-türkischen Grenze soll verstärkt werden. Die EU will zudem stärker mit der Türkei zusammenarbeiten, um die Flüchtlinge möglichst früh zu stoppen.
Ob dies aber die Flüchtlinge bremsen kann, ist fraglich. Die Erfahrung zeigt, dass die Menschen bei ihrer Flucht Richtung Europa kaum ein Risiko scheuen und im Zweifel auch auf gefährlichere Routen ausweichen. Eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei kostet zwar einen politisch hohen Preis, sie kann aber letztlich helfen. In dem Land leben über zwei Millionen Flüchtlinge vor allem aus Syrien und dem Irak; viele von ihnen sind in riesigen Zeltlagern untergebracht. Immer mehr machen sich von dort auf Richtung EU. Das könnte anders werden, wenn die Zustände in den Lagern besser werden.