Berlin .

Die Waffenexporte aus Deutschland bleiben für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein politisches Minenfeld: Die deutschen Rüstungsausfuhren steigen wieder, sie steuern in diesem Jahr sogar auf einen neuen Rekordwert zu – obwohl Gabriel angekündigt hatte, die Exportgenehmigungen restriktiver zu handhaben.

Mit dem Zwischenbericht für das erste Halbjahr 2015, den Gabriel am Mittwoch dem Kabinett vorlegen wird, liefert der Minister überraschende Zahlen: Von Januar bis Juni segnete die Bundesregierung Rüstungseinzelausfuhren im Wert von 3,5 Milliarden Euro ab – eine Steigerung um über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im gesamten Zeitraum 2014 betrug der Wert der Genehmigungen nur knapp vier Milliarden Euro, also wenig mehr als jetzt in sechs Monaten.

Rechnet man die überwiegend für Bündnispartner erteilten Sammelausfuhrgenehmigungen hinzu, dann liegt der Gesamtexportwert mit 6,5 Milliarden Euro schon jetzt so hoch wie im gesamten Jahr 2014. Dass damals ein deutlicher Rückgang der Rüstungsausfuhren zu verzeichnen war, konnte Gabriel als Erfolg verbuchen.

Und jetzt? Für den neuen Anstieg, über den zuerst die „Welt“ berichtet hatte, gibt es mehrere Gründe, einfach hochrechnen lassen sich die Zahlen nicht – dennoch hat der zuständige Wirtschaftsminister zumindest ein Erklärungsproblem. „Gabriel ist gescheitert“, sagte der Linke-Außenexperte Jan van Aken dem Hamburger Abendblatt, „er hat versucht, die Rüstungsexporte zu reduzieren, aber jetzt holt ihn die Wirklichkeit ein.“

Das eigentliche Problemsind die Lieferungen an Drittländer

Die Grünen-Abrüstungsexpertin Agnieszka Brugger erklärte auf Anfrage: „Die SPD hat sich unglaubwürdig gemacht, die versprochene Kehrtwende ist ausgeblieben.“ Davon will Gabriel allerdings nichts wissen: Die Summe der Genehmigungswerte sei allein kein tauglicher Gradmesser für eine bestimmte Rüstungsexportpolitik, heißt es in seinem Ministerium. Vielmehr seien die Art der Güter und der Verwendungszweck zu berücksichtigen.

Tatsächlich ist der Anstieg der Exportsumme vor allem durch eine politisch unproblematische Lieferung von vier Tankflugzeugen an Großbritannien im Wert von 1,15 Milliarden Euro begründet – ein Drittel der genehmigten Einzelexporte. Dagegen ging die besonders heikle Lieferung von Kleinwaffen erneut zurück. Wurden im ersten Halbjahr 2014 für 21,3 Millionen Euro Pistolen und Gewehre ins Ausland verkauft, sank die Summe in den ersten sechs Monaten 2015 auf 12,4 Millionen Euro. Doch die eigentliche Problemzone liegt woanders: Die umstrittene Lieferung von Waffen in Drittstaaten außerhalb der EU, Nato und Nato-gleichgestellten Ländern, bei denen die Regierung erklärtermaßen sehr restriktiv vorgehen will – und dennoch Staaten etwa in der Krisenregion Nahost bedenkt. So genehmigte die Regierung im ersten Halbjahr Ausfuhren von fast 1,7 Milliarden Euro in diese Drittländer, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 250 Millionen Euro.

Auch dies aber ist aus Regierungssicht gut begründet: In die Zahlen fließt ein, dass für Israel – wie schon 2014 – ein weiteres U-Boot genehmigt wurde, das bereits im Jahr 2003 zugesagt worden war. Die fast 400 Millionen Euro dafür machen ein Viertel aller Waffenexporte in Drittländer aus. Weitere wichtige Abnehmerländer: Algerien (über 170 Millionen Euro vor allem für Lkw und Funkgeräte) und – wegen seiner Rolle in Nahost sehr umstritten – Saudi-Arabien (177 Millionen Euro im Wesentlichen für Transporterfahrgestelle). Für Kuwait wurde vor allem die Lieferung von zwölf Spürpanzern Fuchs (122 Millionen Euro) genehmigt.

Russland darf zwei Eisbrecheraus deutscher Produktion kaufen

Sogar Russland wird beliefert: Es erhält zwei Eisbrecher mit militärischer Schutzausstattung, was trotz Embargos wegen der Einstufung als „Altfall“ möglich ist. Aus Regierungssicht ist es insgesamt gelungen, heikle Waffengeschäfte zu verhindern, ohne der Rüstungsindustrie zu schaden. Doch die Opposition beklagt, Gabriel habe zu Amtsantritt zu viel versprochen, den echten Politikwechsel nicht erreicht.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion, sagte: „Es funktioniert so nicht, es geht nur mit Verboten“. Als Konsequenz müsse mit einem Einstieg in generelle Verbote von Rüstungsexporten begonnen werden – zuerst bei Kleinwaffen, da habe selbst die Mehrzahl der Unternehmen keine Einwände. Die Grüne Brugger verlangte, Gabriel sollte sich selbst beim Wort nehmen und die – relativ strengen – Rüstungsexportrichtlinien endlich gesetzlich verankern.