Ljubljana/Zagreb .

Regen und Kälte setzen den Zehntausenden Flüchtlingen auf dem Balkan seit Tagen zu. Doch abhalten kann das schlechte Wetter die Menschen auf ihrem Weg in Richtung Deutschland nicht. Das EU- und Schengenland Slowenien sieht sich dem Andrang nicht mehr gewachsen. Deswegen will die Regierung des Landes an der Grenze zu Kroatien jetzt die Armee zur Unterstützung der Polizei einsetzen. Sie schließt zudem den Bau von Grenzbefestigungen nicht mehr aus, um den Zustrom in den Griff zu bekommen.

Die Behörden in Slowenien beklagen, dass allein am Montag 8000 Flüchtlinge angekommen seien – obwohl das Land nur 2500 pro Tag registrieren könne. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Im Nachbarland Kroatien und in Serbien warten Tausende weitere Vertriebene vor geschlossenen Grenzen darauf, über Slowenien nach Deutschland zu gelangen. Es schüttet wie aus Eimern. Die Landschaft versinkt im Schlamm. Mittendrin der Flüchtlingstreck: viele Männer, an manchen Tagen aber genauso viele Familien, Frauen mit Kindern, sogar Kinder allein auf sich gestellt.

Alle haben sich notdürftig Nyloncapes gegen den Dauerregen übergezogen. Aber unten schauen nicht selten nackte Füße in Flipflops heraus. Immer wieder sind Rollstühle zu sehen, die mit dreckverschmierten Reifen im Morast stecken bleiben. Die Menschen sind erschöpft, durchnässt und bis auf die Knochen durchgefroren. Einige suchen unter Bäumen Schutz, andere scharen sich um kleine Feuer, um wenigstens etwas Wärme abzubekommen. Manche kommen in den überfüllten Zelten unter, die an den Drehkreuzen der Route aufgestellt wurden.

Wenn die Grenze vorübergehend geöffnet wird und einige Hundert Menschen hindurchdürfen, dann beginnt ein Gerangel um den besten Startplatz zur Einreise. Das war in Griechenland so. In Mazedonien und Serbien. Und nun in Kroatien. Die Helfer wundern sich, dass trotz der übermenschlichen Anstrengungen für diese Gewalttour aus der Türkei bis hierher noch niemand vor ihren Augen zusammengeklappt ist.

„Bis vor drei Wochen haben diese Menschen noch relativ normal gelebt“, erklärt Melita Sunjic vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dieses kleine Wunder. „Die Leute haben Gott sei Dank noch körperliche Reserven, um die Strapazen zu bewältigen.“ Natürlich gebe es viele Atemwegserkrankungen und äußere Verletzungen. Aber das sei behandelbar mit den Medikamenten und Medizinern vor Ort.

Tausende haben die Nacht zum Dienstag vor dem geschlossenen serbisch-kroatischen Grenzübergang Berkasovo/Bapska verbracht. „Zwei- bis Dreitausend“, schätzt ein serbischer Polizist. Die Grenze war bis drei Uhr früh geschlossen. Dann ließen die Kroaten pro Stunde bis zu 150 Leute durch. Viele Wartende haben die Nacht auf den Beinen verbracht. Der aufgeweichte Boden lässt Sitzen nicht zu, geschweige denn Liegen.

Auch am zweiten Flüchtlingsbrennpunkt in Kroatien, Mursko Središće an der Grenze zu Slowenien, verstehen die Menschen nicht, warum sie von der Polizei an der Weiterreise gehindert werden. „Wir sind doch nur im Transit und wollen nach Deutschland“, sagen die meisten von ihnen. Die komplizierten politischen Probleme zwischen den Ländern in Südosteuropa kennen sie natürlich nicht. Oft wissen die Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und dem Irak nicht einmal, wo sie sich gerade befinden.

Die Staaten der Region, die traditionell ihre Konflikte pflegen, geben sich gegenseitig die Schuld an der Misere. Slowenien schimpft auf Kroatien, Kroatien auf Serbien und alle schimpfen auf Griechenland, wo die Menschen erstmals EU-Boden erreichen.

In Berkasovo ist an diesem Dienstag wie auch an den anderen Grenzübergängen eine Art Katz-und-Maus-Spiel zu beobachten. Die Flüchtlinge versuchen, der Polizei ein Schnippchen zu schlagen. Denn so viele Polizisten gibt es nicht, dass sie die Grenze durchgehend absperren könnten. Und so gelingt es wieder Tausenden, sich über die grüne Grenze zu schlagen. Ziel ist das 15 Kilometer entfernte Erstaufnahmelager Opatovac. Doch das ist schon hoffnungslos überfüllt.

Inzwischen denkt auch Kroatien darüber nach, dem Beispiel Ungarns zu folgen und einen Zaun an der Grenze zu Serbien zu bauen. Regierungschef Zoran Milanović hatte das als „allerletzte der letzten Möglichkeiten“ bezeichnet.