Teheran. Beim Atomabkommen ist Teheran im Wort. Streitfragen sind der Syrien-Konflikt und Israel

Der Außenminister steht in der Morgensonne Teherans, links ein Springbrunnen, dahinter die helle Fassade des „Parsian Azadi Hotels“. „Heute ist ein wichtiger Tag, wir haben eine ganz wichtige Hürde genommen“, sagt Frank-Walter Steinmeier (SPD). Es ist ein Stichtag. Seit Sonntag muss der Iran den Atomvertrag vom Juli umsetzen: 90 Tage nach der Annahme der Vereinbarung durch den UN-Sicherheitsrat steht er in der Pflicht, sein Nuklearprogramm herunterzufahren. Das Wiener Abkommen regelt unter anderem, dass das Land seinen Bestand an angereichertem Uran von 12.000 auf 300 Kilogramm verringern muss. Die Zahl der Zentrifugen soll von 19.000 auf 6000 reduziert werden. Zudem ist vorgesehen, dass der im Bau befindliche Schwerwasserreaktor Arak, der bisher waffenfähiges Plutonium hätte erzeugen können, zu einem Leichtwasserreaktor umgewidmet wird. „Der Iran hat zugesagt, alle seine Verpflichtungen zu erfüllen“, betont Steinmeier. Am Sonnabend und Sonntag hat er eine Serie von Gesprächen mit iranischen Politikern geführt. Darunter waren Außenminister Dschawad Sarif, Staatspräsident Hassan Rohani und Parlamentspräsident Ali Laridschani. Wenn der Iran alle Bedingungen einhalte, könnten die Sanktionen ab Ende Januar 2016 aufgehoben werden, so der Minister. Die IAEO überwacht den Prozess bis zum Tag der Umsetzung des Abkommens, dem „Implementation Day“.

Das Atomthema gehört zu den leichteren Aufgaben des Iranbesuchs. Das Gleiche gilt für die Bereiche Wirtschaft und Kultur, wo die Kontakte vertieft werden sollen. Doch bei der Lösung des Syrienkonflikts hat Steinmeier keine nennenswerten Fortschritte erzielt. „Die Gespräche waren nicht einfach“, räumt er ein. Lässt man den diplomatischen Filter weg, dann heißt das: Der Außenminister biss auf Granit. Zwar hätten die iranischen Spitzenpolitiker signalisiert, dass sie eine konstruktive Rolle bei der Lösung der Syrienkrise einnehmen wollten. Aber in Wahrheit sind die Gräben unverändert tief: Russland und der Iran kämpfen für Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Die USA sowie die Regionalmächte Saudi-Arabien und die Türkei finanzieren verschiedene Rebellengruppen.

„Ich wünschte mir, dass der Iran seinen Einfluss in der Region und auf Syriens Präsidenten Baschar al-Assad und dessen Umgebung nutzt“, hatte Steinmeier auf einer Pressekonferenz am Sonnabend erklärt. Der Außenminister warb für eine Übergangslösung, bei der Assad eine Zeit lang im Amt bleibt und danach Platz macht für einen Neuanfang. Doch sein iranischer Amtskollege bügelte den Vorstoß ab. Ohne auf Assad einzugehen, unterstrich er: „Die größte Gefahr in unserer Region sind der Extremismus und der Terrorismus.“ Diese würden durch „manche Länder in der Region“ unterstützt. Ein Seitenhieb gegen Saudi-Arabien, das das Rebellenbündnis Dschaisch al-Fatah aufrüstet. Zu ihm gehören die Nusra-Front, der syrische Ablager von al-Qaida sowie die von der Türkei gesponserte Dschihadistengruppe Ahrar al-Scham. Das tiefe Misstrauen zwischen dem Iran und Syrien durchzieht alle Gespräche Steinmeiers. Dem iranischen Außenminister sind allerdings die Hände gebunden: Er muss sich taktisch verhalten, da er von den konservativen Hardlinern im eigenen Land kritisch beobachtet wird. Für sie ist Sarif, der in den USA studiert und als Diplomat gearbeitet hatte, zu liberal und zu nachgiebig. Die Atomvereinbarung vom Juli wurde vor allem von der jugendlichen Bevölkerung im Iran gefeiert, von Teilen des Regimes jedoch verdammt. Auch das Verhältnis zu Israel erweist sich als Reibungspunkt. „Das Existenzrecht Israels ist für uns nicht verhandelbar“, unterstreicht der Außenminister. Irans oberster religiöser Führer Ali Chamenei hatte kürzlich erklärt, dass es den Judenstaat in 25 Jahren nicht mehr geben werde.

Trotz der Differenzen läuft die diplomatische Maschinerie zwischen New York, Brüssel und dem Nahen Osten weiter. Die EU schickt ihre Emissäre in die Region und lotet die Chancen für ein Konzept der gemeinsamen Sicherheit aus, das über Syrien hinausreicht. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura sondiert im Iran, in Saudi-Arabien und der Türkei. Sein Vorschlag einer internationalen Kontaktgruppe mit den USA, Russland und großen regionalpolitischen Spielern ist zwar vom Tisch – die russischen Luftschläge in Syrien haben die Krise verschärft und die Gesprächsbereitschaft der Akteure gedämpft. Dennoch will de Mistura austesten, ob sich die Streithähne mittelfristig an den Verhandlungstisch bringen lassen. Steinmeier stapelt zum Ende seines Besuchs, kurz vor dem Weiterflug nach Saudia-Arabien tief: „Wir sind in Abstimmung mit dem UN-Sondergesandten unterwegs und versuchen, ihn ein wenig zu unterstützen.“