Hamburg. Trotz Kritik an Flüchtlingspolitik: Jubel für die Bundeskanzlerin beim Deutschlandtag der Jungen Union in Hamburg

Der Empfang ist mehr als freundlich. Minutenlanger Beifall, poppige Musik und Jubelrufe für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, versucht mehrmals, die Kanzlerin mit Worten zu begrüßen. Doch der Saal klatscht einfach weiter.

Mit Spannung war der Auftritt der Kanzlerin zu Beginn des Deutschlands­tages der Jungen Union in Hamburg erwartet worden. Schließlich hatte die Nachwuchsorganisation von CDU und CSU keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisch sieht.

Als die Kanzlerin auf die Flüchtlingskrise zu sprechen kommt, trifft sie den richtigen Ton. Sie erklärt, sie doziert nicht. Merkel wirkt klar, räumt Versäumnisse in der Vergangenheit ein, lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise eine „historische Riesenaufgabe“ sei. Sie erinnert die Delegierten an die Werte der CDU und an das Grund­gesetz. „Die Würde ist nicht nur für die Deutschen unantastbar. Die Menschenwürde gilt für jeden Menschen.“

Immer wieder wird die Kanzlerin von zustimmendem Beifall unterbrochen. So, als sie von einem Treffen mit der Gruppe „Open door“ berichtet, die sich weltweit für verfolgte Christen einsetzt. Wenn Deutschland sich nicht für Flüchtlinge einsetzen würde, dann würde das Land viel von der Achtung in der Welt verlieren. Beifall bekommt sie auch, als sie mit klaren Worten die verstärkte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber fordert. „Wer aus wirtschaftlichen Gründen kommt, dem müssen wir sagen, ,nein, du musst unser Land wieder verlassen.‘“

Gut kommt bei den Delegierten ebenfalls an, dass Merkel von den Flüchtlingen fordert, sich zu integrieren. „Wer in einem Land Schutz findet, hat die Verpflichtung, sich an die Gesetze und Regeln des aufnehmenden Landes zu halten“, sagt die Kanzlerin.

In der anschließenden Diskussion berichtet ein bayerischer Delegierter von der Überforderung in Bayern und fragt, wann die Kanzlerin die Grenze der Zuwanderung sähe. Merkel verzichtet auf die klare Formulierung, es gebe keine Obergrenze, macht aber deutlich, dass es kaum möglich sei, den Flüchtlingsstrom zu steuern.

Ein weiterer Delegierter sagt, er sorge sich, dass es in 20 Jahren „No-go-Areas“ geben werde, dass Homosexuelle angefeindet würden und es religiös motivierte Auseinandersetzungen geben werde. Auf seine Frage, ob man nicht den Familiennachzug erschweren sollte, meint die Kanzlerin, derzeit habe die Bearbeitung der Anträge jener Flüchtlinge, die bereits hier seien, oberste Priorität. Der Familiennachzug werde jetzt nicht bearbeitet werden können.

Die Flüchtlingspolitik steht im Mittelpunkt des Deutschlandtages, der noch bis zum Sonntag dauert. Unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung hatte JU-Chef Paul Ziemiak erklärt, der Vorstand habe mehrheitlich eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. „Wir werden nicht umhinkommen, eine Obergrenze festzulegen“, sagte Ziemiak.

Auf eine genaue Höhe wollte der Unionspolitiker sich nicht festlegen. Er meinte allerdings, Deutschland könne jährlich 250.000 Flüchtlinge bewältigen. Ziemiak plädierte für einen runden Tisch mit kommunalen Spitzenverbänden, Hilfsorganisationen, Polizei und Vertretern der Ehrenamtlichen. Wenn am Ende eine höhere Zahl als 250.000 herauskomme, sei das in Ordnung.

Ziemiak machte zugleich deutlich, dass er die Bedenken vieler CDU-Mitglieder gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin verstehe. „Der Brief von CDU-Mitgliedern an Frau Merkel drückt die Sorgen aus, die viele haben.“ Am Donnerstagabend war die Kanzlerin auf dem EU-Gipfel in Brüssel erneut mit dem Versuch gescheitert, eine dauerhafte Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas zumindest als Ziel zu verankern. Allerdings konnten die EU-Staaten und die Türkei sich im Grundsatz auf einen gemeinsamen Aktionsplan einigen. Die EU will vor allem den Flüchtlingszustrom aus der Türkei eindämmen. Ankara fordert im Gegenzug drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen im Land. Merkel fliegt am Sonntag zu Gesprächen nach Istanbul.

Am heutigen Sonnabend wird Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu den rund 300 Delegierten sprechen. Am Sonntag kommt Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU). Die JU ist die gemeinsame Jugendorganisation von CDU und CSU und hat etwa 115.000 Mitglieder.

Unterdessen hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, André Trepoll, den rot-grünen Senat aufgefordert, die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Verschärfung des Asylrechts konsequent umzusetzen. „Dass die Grünen in Hamburg noch vor Inkrafttreten des Asylpakets ankündigen, dass der rot-grüne Senat die Umstellung auf Sachleistungen in Hamburg nicht umsetzen wird, ist ein äußerst fauler Kompromiss“, erklärte Trepoll. „Wenn Scholz nicht weiter an Glaubwürdigkeit verlieren will, muss er von seiner Richtlinienkompetenz gegenüber den Grünen auch konsequent Gebrauch machen.“ Für eine „grüne Wohlfühlpolitik“ sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sagte der CDU-Fraktionschef.