An der Grenze zum Südsudan leben 300.000 Äthiopier und ebenso viele Flüchtlinge. Eindrücke aus einem Lager mit gigantischen Ausmaßen.
Es war nur ein Tag. Ein kurzes Eintauchen in das blutende Herz Afrikas. Aber es war ein Tag, den ich wohl nie vergessen werde. Ein paar Stunden nur habe ich eines der Flüchtlingscamps in Äthiopien, direkt an der Grenze zum Südsudan besucht. In der Region Gambela leben rund 300.000 Äthiopier – und mittlerweile ebenso viele Flüchtlinge. Im „Kule Camp“ allein sind es mehr als 47.000 Flüchtlinge. Die meisten – rund 80 Prozent – sind Frauen und Kinder. Die Männer sind entweder tot oder kämpfen weiter auf der anderen Seite der Grenze.
Flüchtlingscamp in Äthiopien
„Male, Male“ rufen die Kinder. „Hallo, Hallo!“ Sie kommen angerannt, sobald sie meine Kamera sehen – wollen fotografiert werden und sich dann einmal selbst betrachten. Nach einer Minute bin ich umringt von Dutzenden Kindern. Ich blicke in 40, 50 kleine schwarze Gesichter. Manche schauen ernst und traurig – und ich frage mich: Was haben diese kleinen Wesen schon alles erlebt? Andere lachen fröhlich – und ich hoffe, sie schaffen es irgendwann heraus aus diesen endlosen Reihen von Zelten und provisorischen Hütten.
Das Flüchtlingscamp wurde erst im Mai 2014 eröffnet. Längst platzt es aus allen Nähten. Ein weiteres Camp für mehr als 75.000 Flüchtlinge wird gerade errichtet. Regierung und Hilfsorganisationen – wie das UNHCR, das World Food Program oder das Kinderhilfswerk Plan International, das hier Schulen und Kindergärten aufbaut und die Jungen und Mädchen psychologisch betreut – rechnen damit, dass die Camps noch in 20 Jahren stehen werden. Für sie ist es ein sehr langfristiges Engagement. Für mich war es nur ein kurzer Besuch. Die Kinder im Kule Camp, die sich an diesem Tag nichts sehnlicher wünschten, als ein Foto von sich zu sehen, wären dann lange erwachsen.