Berlin .

Mitten in der Flüchtlingskrise ist die Union in der Wählergunst auf den niedrigsten Stand seit der Bundestagswahl gefallen. In der aktuellen Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ verlieren CDU und CSU bundesweit zwei Prozentpunkte – und liegen nun bei 38 Prozent. Fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) hält den Umgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Flüchtlingsstrom für falsch. Unterstützung bekommt die CDU-Chefin von 39 Prozent. Laut dem Sonntagstrend legen die FDP und die AfD jeweils einen Zähler auf fünf beziehungsweise sechs Prozent zu. Die SPD kommt auf unverändert 25 Prozent der Stimmen. Linkspartei und Grüne liegen unverändert auf zehn beziehungsweise neun Prozent.

Neue Kritik an Merkel kam am Sonntag wieder aus Bayern. „Der jetzige Zuzug überfordert uns. Es sind zu viele. Es fehlen Maß und Ziel“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der „Welt am Sonntag“. Die unterschiedlichen Ansätze in München und Berlin bezeichnete der bayerische Ministerpräsident nicht nur als Meinungsverschiedenheit, sondern als Ausdruck zweier „Denkschulen, die sich gegenüberstehen“. Berlin wolle den Zuzug nur managen. Er wolle steuern und begrenzen. Ein Staat, der seine Grenzen nicht schützen könne oder wolle, erkläre seine Kapitulation, sagte Seehofer.

Der CSU-Chef wies den Vorwurf zurück, mit seiner harten Haltung in der Flüchtlingsfrage Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Um den Zustrom zu begrenzen, werde er im Ernstfall alle rechtsstaatlichen Maßnahmen auch anwenden. „Das hat nichts mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu tun. Wir wollen lediglich eine geordnete Entwicklung.“ Den Vorwurf von SPD-Chef Sigmar Gabriel, er betreibe „Panikmache“, könne er „nun gar nicht mehr ernst nehmen“, sagte der bayerische Ministerpräsident. „Die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten haben doch die gleichen Sorgen wie ich.“ Diesen Zickzackkurs werde die SPD nicht durchhalten können.

Der CSU-Chef stellte auch das Recht auf Familiennachzug infrage. „Wenn jemand in überschaubarer Zeit in sein Heimatland zurückmuss, dann hat das keinen Sinn,“ sagte er. Dazu zählten auch Menschen, in deren Heimat die Bürgerkriege bald beendet sein könnten. Auch warnte der CSU-Chef vor einer sich verschärfenden Sicherheitslage in Deutschland. So würden nach der Registrierung Tausende Flüchtlinge verschwinden. „Das ist mehr als beunruhigend“, sagte Seehofer. Er warnte zudem vor einer politischen Krise der Union. Es gehe ihm um das Land, aber auch um die Union insgesamt, sagte der CSU-Chef. Eine Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU sei für ihn zwar keine Option. Aber „wenn es um das Management von Politik im Alltag geht, ist die Bevölkerung mein Koalitionspartner“, sagte Seehofer.

Bundeskanzlerin Merkel schloss am Sonntag Steuererhöhungen zur Finanzierung der Flüchtlingskrise definitiv aus. „Wir können uns freuen, dass wir seit Jahren gut gewirtschaftet haben und unsere Wirtschaftslage zurzeit gut ist“, sagte die CDU-Politikerin der „Bild“-Zeitung. Daher gebe es weder einen Steuersoli, um die Flüchtlingskrise finanziell meistern zu können, noch Steuererhöhungen. Zuvor hatten Medien berichtet, die EU-Spitzen und die Bundesregierung führten informelle Gespräche zur Einführung eines europäischen Flüchtlingssolis. Auch der neue Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), schloss einen „Flüchtlingssoli“ für Deutschland aus.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) verteidigte am Sonntag in Berlin seine Nachfolgerin. „Ich habe mir auch nie vorstellen können, dass ich Frau Merkel mal in Schutz nehme gegen ihre Brüder und Schwestern aus Bayern“, sagte Schröder beim „Cicero“-Foyergespräch im Berliner Ensemble zur anhaltenden Kritik Seehofers an Merkel. Zu der Überlegung des CSU-Chefs, die Kanzlerin vor dem Bundesverfassungsgericht zu verklagen, sagte Schröder: „Jeder macht sich auf seine Weise lächerlich.“ Der Altkanzler plädierte für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU. „Ein bisschen finanziellen Druck auf Länder, die sich weigern, halte ich schon für angemessen“, sagte Schröder. Ein ausgeglichener Haushalt ist laut Schröder nicht so zentral wie eine funktionierende Integrationspolitik. „Die schwarze Null ist weit weniger wichtig als das Gelingen der Integration“, so der Altkanzler.