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Mord, Drogenhandel, Geldwäscherei, aber auch Hexerei und Abkehr vom Islam – all das sind Straftaten, für die Menschen in Staaten der Welt noch immer hingerichtet werden. Weltweit ist die Todesstrafe zwar auf dem Rückzug. Seit den 90er-Jahren haben mehr als 50 Staaten die Todesstrafe abgeschafft. Dennoch wird sie weiterhin in 22 Ländern vollstreckt. An diesem Sonnabend ist der Welttag gegen die Todesstrafe. Hier eine Übersicht über die fünf Länder, in denen die meisten Hinrichtungen stattfinden.

China

Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass die Volksrepublik China unverändert mehr Menschen pro Jahr exekutiert als alle Länder der Welt zusammen – und zwar mehrere Tausend Menschen pro Jahr. Gesicherte Angaben fehlen den Organisationen, da China Informationen zur Todesstrafe wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Zwar hat die chinesische Führung die Zahl der Vergehen, die mit der Todesstrafe geahndet werden, in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. 2011 wurde sie von 68 auf 55 gesenkt. Zudem verringerte eine Strafrechtsreform im August die Zahl der Vergehen um weitere neun. Nicht mehr mit dem Tod geahndet werden künftig Waffenschmuggel, Geldfälschung, Zuhälterei sowie die „Verbreitung von Gerüchten in Kriegszeiten“.

Saudi-Arabien

Niemand weiß, wie viele Verurteilte in saudischen Todeszellen auf ihre Hinrichtung warten. Jeden zweiten Tag jedoch wird derzeit im Königreich ein Mensch mit dem Schwert geköpft. 133 waren es allein von Januar bis September, im gesamten Vorjahr dagegen 87, sodass Amnesty International von einer „makabren Steigerung“ spricht. Insgesamt gab es nach einer Übersicht der Menschenrechtsorganisation in den vergangenen 20 Jahren mindestens 2200 Hinrichtungen, darunter auch Minderjährige und Frauen. Rund die Hälfte der Exekutierten sind Ausländer, die andere Hälfte Saudis. Die Mehrzahl wurde wegen Mordes verurteilt, gut 40 Prozent wegen Drogendelikten. Andere wurden wegen Hexerei oder Abkehr vom islamischen Glauben getötet. Viele der saudischen Untertanen sind mit dieser archaischen Härte einverstanden, bei der manchmal die enthauptete Leiche noch an ein Kreuz geschlagen und tagelang zur Schau gestellt wird. Ein kodifiziertes Strafrecht existiert nicht. Die Angeklagten sind der Willkür der streng konservativen Richter der Scharia – des islamischen Rechts – ausgeliefert. Oft wird ihnen der Zugang zu einem Rechtsanwalt verwehrt. Andere, die kein Arabisch sprechen, wissen oft nicht, was die Justiz ihnen vorwirft. Viele Geständnisse, die zu Todesurteilen führen, werden nach Informationen von Menschenrechtlern durch Folter, Prügel oder Schlafentzug erpresst.

Irak

Nach der amerikanischen Invasion im Irak 2003 schaffte der damalige US-Verwalter Paul Bremer die Todesstrafe zunächst ab. Bereits ein Jahr später wurde sie wieder eingeführt und seit 2005 wieder praktiziert. Wurden im ersten Jahr elf Personen hingerichtet, stieg die Zahl bis 2013 auf zuletzt 177 an – die meisten wurden wegen Mordes oder Terroranschlägen verurteilt. Im Jahr darauf reduzierte der Irak die Zahl der Hinrichtungen auf 64, obwohl mehr als 1700 Verurteilte in den Todeszellen sitzen. Irak praktiziert in der Regel Massenhinrichtungen innerhalb der Gefängnisse, bei denen zehn bis 30 Menschen gemeinsam exekutiert werden. In seiner Analyse kritisierte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, viele Prozesse seien unfair und inkompetent geführt. Die Todesurteile stützten sich auf fragwürdige Beweise oder allein auf Aussagen von anonymen V-Leuten. Beschwerden der Angeklagten, sie seien durch Folter zu Geständnissen gezwungen worden, würden von den Richtern in der Regel ignoriert. Die meisten Todeskandidaten erschienen ohne Rechtsbeistand auf der Anklagebank, bekämen dann einen Pflichtverteidiger, dem keine Zeit eingeräumt werde, sich in die Akten einzuarbeiten. Unter solchen Umständen trage die Todesstrafe das Risiko von schweren Justizirrtümern, urteilten die UN-Experten. „Unschuldige Leute könnten hingerichtet werden für Verbrechen, die sich nicht begangen haben.“

Iran

Wie Saudi-Arabien gehört der Iran zu den wenigen Nationen der Welt, die die Scharia auch in ihrem Strafrecht praktizieren. Beide Gottesstaaten fallen daher seit Jahrzehnten bei Menschenrechten, Justizwillkür und Todesstrafen besonders negativ auf. Im Iran kann sogar politische Opposition als Gotteslästerung gewertet und mit dem Tode bestraft werden. Richter verurteilen Frauen zur Scharia-Hinrichtung durch Steinigung, weil sie angeblich ihre Ehe gebrochen haben. Auch Minderjährige werden exekutiert. Seit dem Amtsantritt des moderaten Präsidenten Hassan Rohani im August 2013 wurden in der Islamischen Republik nach Angaben des Iran Human Rights Documentation Center mindestens 1910 Menschen hingerichtet – erheblich mehr als im Irak und in Saudi-Arabien. Allein seit Beginn des Jahres gab es 818 Exekutionen, meldet die Menschenrechtsorganisation. Die meisten Verurteilten endeten wegen Drogendelikten oder Mord am Galgen. Sie werden auf öffentlichen Plätzen aufgehängt. Die Justiz im Iran zählt zu den Hardlinern im Machtgefüge der Islamischen Republik. Die hohe Zahl von Exekutionen speziell in den vergangenen neun Monaten ist ein Indiz dafür, dass das konservative Lager gegen westliche Kritik Front macht, um den Verständigungskurs Rohanis zu unterlaufen.

USA

Amerika ist das einzige westliche Land, in dem die Todesstrafe vollstreckt wird – allerdings seltener. 1999 gab es noch 98 Fälle, 2014 noch 35. In diesem Jahr waren es bisher 23. Rund 60 Hinrichtungen wurden seit Jahresbeginn suspendiert. Die Todesstrafe ist in 31 von 50 Bundesstaaten sowie auf Bundesebene legal. Ein Grund für die Suspendierungen: Die Kandidaten hatten gegen den Einsatz umstrittener Giftcocktails geklagt, die zu qualvollen Todeskämpfen von bis zu 45 Minuten geführt hatten. Das Problem mit der Giftspritze geht auf europäische Pharmafirmen zurück. Sie weigern sich, erprobte Betäubungsmittel wie Pentobarbital in die USA zu liefern. Im Juni hatte der Oberste Gerichtshof in Washington alternative Giftmischungen erlaubt. In Tennessee und Utah haben vorbeugend wieder den elektrischen Stuhl und Erschießungskommandos eingeführt. Insgesamt wurden in den USA nach der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 bis heute 1417 Hinrichtungen vollzogen. Mehr als 3000 Todeskandidaten, die im Schnitt 15 Jahre und mehr auf Vollstreckung warten müssen, sitzen noch im Gefängnis. Die Kosten für ihre Betreuung ist 20-mal so hoch wie bei lebenslänglich verurteilten Tätern.