WashingtoN.

Als mit Theodor Heuss vor 57 Jahren zum ersten Mal ein deutsches Staatsoberhaupt amerikanischen Boden betrat, spielte Zeit noch keine Rolle. Vier Wochen tourte der joviale Baden-Württemberger durch die neue Welt. Die Rückreise erfolgte gemächlich per Schiff. Joachim Gauck hat nur drei Tage. Die erste offizielle USA-Visite eines Bundespräsidenten seit 1997 (damals war Roman Herzog zu Gast bei Bill Clinton) kreist 25 Jahre nach der Deutschen Einheit um das Lebensthema des ehemaligen Pfarrers und Chefs der Stasiunterlagen-Behörde aus Rostock: Freiheit.

Gauck begann seine Reise gestern Nachmittag an der Wiege der amerikanischen Demokratie. In Philadelphia, zwischen New York und Washington gelegen, wurde 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung verkündet und elf Jahre später die Verfassung unterzeichnet. Gauck erwies aber nicht nur „Independence Hall“ (Unabhängigkeitshalle) und „Liberty Bell“ (Freiheitsglocke) seine Referenz. In der Spring Garden Street begab sich Gauck ausführlich auf die Spuren, die deutsche Einwanderer in „Philly“ hinterlassen haben. Die 1764 gegründete „Deutsche Gesellschaft“, die Neuankömmlingen die ersten Schritte in ihrer neuen Heimat ebnete, ist die älteste ihrer Art in den USA. Sie gewährt mit ihrer Bibliothek einen Einblick in den ganze Stadtviertel prägenden deutschen Einfluss. An der Universität von Pennsylvania hält Joachim Gauck heute eine Rede, in der es nach der von der Regierung George H. W. Bush unterstützten Wiedervereinigung um Dankbarkeit, aber auch um die Neubefestigung der deutsch-amerikanischen Beziehungen gehen soll. Der Streit um das Freihandelsabkommen TTIP und die Geheimdienstaffäre NSA sorgen für Zwist.

Gauck beendet seinen Besuchin der größten Bibliothek der Welt

Wie Gauck die Linien ziehen wird zwischen der Freiheit durch den Staat und der Freiheit vor dem Staat, wird in den USA mit Aufmerksamkeit beobachtet. Vor dem Einheits-Empfang in der Deutschen Botschaft in Washington sucht der Bundespräsident kurz an der Museums-Meile die Nähe zu zwei Nationalhelden: die Gedenkstätten von Abraham Lincoln und Martin Luther King. Höhepunkt des Staatsbesuchs ist am Mittwoch das Weiße Haus. Nach Präsident Obama trifft Gauck auf Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry. Später überreicht Gauck ein Stück Berliner Mauer als Erinnerung an die Ereignisse ab 1989.

Joachim Gauck beendet seinen Amerika-Aufenthalt symbolträchtig. In der „Library of Congress“, mit über 150 Millionen Büchern die größte Bibliothek der Welt, wird sich der Geschichts-Fan die Geburtsurkunde Amerikas ansehen. Die über 500 Jahre alte sogenannte Waldseemüller-Karte, auf der zum ersten Mal der Name des damals vierten Kontinents aufgeführt ist, hat ein Mann aus dem Breisgau gezeichnet: Martin Waldseemüller.