Berlin.

Die Kinderporno-Affäre um den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wird zum Streitfall im Bundestag: Die Opposition wirft vor allem der SPD vor, sie kehre in der Abschlussbewertung des Edathy-Untersuchungsausschusses belastende Erkenntnisse unter den Tisch.

Mit höchster Wahrscheinlichkeit sei Edathy frühzeitig durch den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann über die Ermittlungen gegen ihn informiert worden, sagte die Grünen-Obfrau Irene Mihalic dem Abendblatt. Doch ein „großkoalitionäres Bewertungskartell“ mache sich mit „Vernebelungsabsicht“ die Welt jetzt so, „wie sie der SPD gefällt“. Auslöser der Kritik: Nach gut einjähriger Arbeit muss der Untersuchungsausschuss in Kürze den Abschlussbericht zu der Affäre vorlegen, die im Frühjahr 2014 die Republik erschütterte. Klar ist, dass Edathy von den Ermittlungen wegen Kinderporno-Besitzes wusste, bevor seine Wohnung und Büros im Februar 2014 durchsucht wurden. Aber wann und woher?

Die Koalition vermeidet in ihrem Berichtsentwurf, der dem Abendblatt vorliegt, nun alles, was Politiker der SPD belasten könnte. Dabei hatte Eda­thy selbst den SPD-Abgeordneten Hartmann als denjenigen benannt, der ihn mit Informationen aus dem Bundeskriminalamt (BKA) auf dem Laufenden gehalten habe. Hartmann bestreitet dies.

Für die Vorwürfe gegen ihn gebe es „keinen zureichenden Beleg“, Widersprüche seien nicht aufzuklären, heißt es nun auch im Berichtsentwurf der Koalition. Womöglich habe Edathy „offene Rechnungen“ begleichen wollen. Alle anderen Koalitionspolitiker sprechen Union und SPD von jedem Vorwurf frei: Verständnis gibt es dafür, dass der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) SPD-Chef Sigmar Gabriel über die Ermittlungen informierte. Und auch dafür, dass Gabriel umgehend seine Parteikollegen Thomas Oppermann und Frank-Walter Steinmeier einweihte.

Kein Zweifel bestehe an den Aussagen der SPD-Spitze, dass sie darüber nicht mit Edathy gesprochen habe. Und selbst einen Telefonanruf Oppermanns bei BKA-Chef Jörg Ziercke beanstandet die Koalition nicht. Ihr Fazit: Die Untersuchung sei gar nicht nötig gewesen. Der Ausschuss sei „unumgänglich und notwendig“ , heißt es dagegen im Sondervotum der Grünen-Obfrau Mihalic und ihres Linke-Kollegen Frank Tempel, das dem Abendblatt vorliegt. Es gebe keinen plausiblen Zweifel daran, dass Hartmann Edathy informiert habe. Sein Wissen könne er nur von BKA-Chef Ziercke oder von Oppermann haben. Doch fehle es der SPD an Aufklärungswillen. Statt Hartmann zu drängen, reinen Tisch zu machen, habe die SPD-Fraktion seine Verteidigung bezahlt. Dass in Untersuchungsausschüssen die regierungstragende Mehrheit andere Bewertungen vornimmt als die Opposition, ist nicht ungewöhnlich. Aber in diesem Fall ist nicht nur bemerkenswert, wie massiv die Koalition alle Zweifel ignoriert und die beteiligten Politiker freispricht.

Auch die Kehrtwende der Union sorgt jetzt für Aufsehen. Denn die Ausschussmitglieder von CDU und CSU hatten der SPD-Führung lange Zeit schwere Vorwürfe gemacht. Sie hatten unter anderem den Verdacht geäußert, die SPD habe gar nicht von CSU-Mann Friedrich erstmals von den Vorwürfen erfahren, aber dennoch den Minister später „ins Messer laufen lassen“. Davon ist nun nicht mehr die Rede

Ihre Hoffnung richtet die Opposition jetzt auf die Justiz: Wenn alle Berichte offiziell vorliegen, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie gegen Hartmann wegen Falschaussage ermittelt. „Genug belastende Anhaltspunkte hätte sie“, sagt Mihalic.