Berlin.

Die Kanzlerin hält Kurs. „Ich würde sie wieder so treffen“, sagt Angela Merkel dem Deutschlandfunk über ihre Entscheidung vom 5. September, die Flüchtlinge von Ungarn nach Deutschland reisen zu lassen. Kurz darauf wiederholt sie: „Ich habe sie getroffen und halte sie nach wie vor für richtig.“

Die Kritik an der Kanzlerin ist heftig und anhaltend, vor allem aus den eigenen Reihen, so sehr wie noch nie in ihrer zehnjährigen Amtszeit. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer kommentierte die Grenzöffnung so: „Ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird.“ Und so ging es am Wochenende weiter. Er forderte von Merkel ein Zeichen, „dass wir mit unseren Aufnahmemöglichkeiten erschöpft sind“. „Das wäre ein starkes Signal.“ In der CSU wird davon ausgegangen, dass unter anderem Merkels Hinweis, es gebe keine Asyl-Obergrenze, zu dem starken Flüchtlingsansturm geführt habe. Im September sind laut Koordinierungsstelle des Bundes in München 273.812 neu angekommene Flüchtlinge gezählt worden – mehr als im gesamten Jahr 2014.

Die Bundeskanzlerin wird für den Friedensnobelpreis gehandelt

Generell stellt die Kanzlerin im Interview klar: „Wir sind bereit, diese Integrationsaufgabe anzugehen.“ Da klingt sie ein bisschen sachlicher als der Bundespräsident. Joachim Gauck zog am Sonnabend wie so oft auch auf der Einheitsfeier in Frankfurt am Main historische Parallelen: „Wie 1990 erwartet uns eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird. Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte.“

Auf die Kritik von Seehofer geht Merkel mit nur mit wenigen Sätzen ein: „Ja, wir haben natürlich darüber gesprochen.“ Und: „Es gibt Dinge, da gibt es unterschiedliche Meinungen.“ Grenzzaun-Überlegungen, wie sie zum Beispiel von Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) artikuliert worden waren, erteilt sie eine Absage: „Mit Zäunen werden wir das Problem nicht los.“ Das Grundrecht auf Asyl, von Söder zur Disposition gestellt, verteidigt sie vehement: „Die, die Schutz brauchen, bekommen diesen Schutz.“ Allerdings müssten Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen kämen, Deutschland wieder verlassen. Söder hatte der CDU-Vorsitzenden Merkel zuletzt sogar abgesprochen, dass sie in der Flüchtlingsfrage für ihre Partei spricht: „Wir sind an dieser Stelle mehr CDU als die CDU-Führung selbst.“

Im den Umfragen verliert Merkel deutlich. 54 Prozent sind laut Deutschlandtrend mit ihrer Arbeit zufrieden – immer noch ein hoher Wert, aber eben auch 9 Prozentpunkte weniger als vor einem Monat. Auf der anderen Seite wird sie gerade für den Friedensnobelpreis gehandelt. Kristian Berg Harpviken, Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, sagte, in der ­Ukraine-Krise und in der Flüchtlingsfrage habe Merkel Verantwortung übernommen, um die sich viele andere gewunden hätten. „Und wir wissen, dass sie nominiert ist – sie könnte den Preis also bekommen.“