Bundeskabinett verabschiedet Asyl-Gesetzespaket. Mehrere Festnahmen nach Gewaltexzess in Suhler Erstaufnahme. Alle News im Live-Blog.

Abendblatt.de hält Sie im Live-Blog zur Flüchtlingskrise auf dem Laufenden:

170.000 Flüchtlinge im September in München gelandet

13.52 Uhr: Seit Anfang September sind 169.400 Flüchtlinge in Bayern angekommen. Diese Zahl nannte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Am Montag seien es allein 10.000 Menschen gewesen. „Das sind Größenordnungen, die wir früher in einem ganzen Jahr nicht hatten - und ein klarer Beleg dafür, dass die Angelegenheit aus den Fugen geraten ist“, sagte der CSU-Chef.

Jugendämter erwarten bis 30.000 unbegleitete Flüchtlinge

12.09 Uhr: Die Jugendämter in Deutschland erwarten bis zum Ende des Jahres zwischen 20.000 und 30.000 Flüchtlingskinder, die sich allein auf den Weg nach Europa machen. Besonders stark sei dabei die Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen vertreten, sagte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Birgit Zeller, am Dienstag bei einer Fachtagung in Münster. Junge Männer etwa aus Syrien flöhen vor dem Kriegsdienst in dem Bürgerkriegsland. Bei Mädchen sei die Gewalt in der eigenen Familie oft der Grund für die Flucht, berichtete Zeller. „Sie kommen nach Deutschland, um einer Zwangsheirat oder einer Beschneidung zu entkommen.“

Mit einem Integrationsprogramm bereiteten sich die bundesweit 600 Jugendämter auf die Betreuung von Flüchtlingskindern vor. Vorrangig sei die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen in einem Heim oder in einer Pflegefamilie. Außerdem kümmerten sich die Jugendämter darum, dass sie so schnell wie möglich Deutsch lernten.

Mit der Fachtagung „Groß werden mit dem Jugendamt“ erinnerte die Bundesarbeitsgemeinschaft zusammen mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) an das vor 25 Jahren in Kraft getretene Kinder- und Jugendhilfegesetz. 150 Fachleute nahmen an der Tagung, die Teil von bundesweiten Aktionswochen der Jugendämter bis Ende Oktober ist, teil.

Flüchtling bei Calais tot in Lkw entdeckt

11.59 Uhr: Ein 20 Jahre alter Flüchtling aus dem Irak ist in der Nähe der nordfranzösischen Hafenstadt Calais im Laderaum eines Lastwagens ums Leben gekommen. Zwei Verwandte, die mit ihm im Fahrzeug waren, seien nicht verletzt worden, teilte die Präfektur von Calais am Dienstag mit. Sie hätten wohl versucht, heimlich nach Großbritannien zu gelangen. Der Fahrer des Lasters fand den Toten demnach, als er nahe des Hafens von Calais seine Ladung inspizierte.

Beim Versuch, durch den Ärmelkanal-Tunnel oder auf Fähren nach Südengland zu kommen, sind in den vergangenen Monaten mehr als zehn Menschen gestorben. In einem provisorischen Zeltlager bei Calais leben mehr als 3000 Flüchtlinge, von denen sich viele bessere Chancen auf Asyl im Vereinigten Königreich erhoffen. Im Sommer hatten Frankreich und Großbritannien die Grenzkontrollen massiv verstärkt und zusätzlich Zäune am Tunneleingang errichtet.

Staatsanwaltschaft: Ticketkauf für Flüchtlinge ohne Folgen

11.54 Uhr: Der Kauf von Bahn- oder Fährtickets für Flüchtlinge hat nach Ansicht der Lübecker Staatsanwaltschaft voraussichtlich keine Folgen für Helfer. „Wir prüfen in rechtlicher Hinsicht, ob dies eine Beihilfe-Handlung darstellt“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ralf-Peter Anders, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Selbst wenn dies zutreffe, werde die Behörde wegen Geringfügigkeit aber nicht ermitteln. „Wir wollen niemanden kriminalisieren und lassen die Katze im Dorf.“ Zuvor hatten die „Lübecker Nachrichten“ darüber berichtet.

Auslöser der Prüfungen war nach Angaben von Anders ein Medien-Hinweis, wonach Flüchtlingshelfer einer Lübecker Initiative für die Weiterreise von Flüchtlingen nach Skandinavien sammelten. „Wir führen jedoch kein Ermittlungsverfahren“, betonte Anders.

Auch Bremen plant Beschlagnahmung von Wohnraum

11.38 Uhr: Nach Hamburg plant nun auch Bremen die Beschlagnahmung von Wohnraum für Flüchtlinge. Leerstehende Gebäude mit einer Fläche von mindestens 300 Quadratmetern sollen auch gegen den Willen der Eigentümer vorübergehend für Flüchtlinge genutzt werden können. Dafür soll es eine Entschädigungszahlung geben. Das Bremer Sozialressort bereitete den Gesetzesentwurf dafür vor, nun sollen die anderen Ressorts eingebunden werden, wie Sprecher Bernd Schneider am Dienstag sagte. Nach seinen Worten ist es möglich, dass das Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Über die Pläne hatten auch der „Weser Kurier“ und Radio Bremen berichtet.

Brand an geplantem Flüchtlingsheim in Baden-Württemberg

11.06 Uhr: An der Außenfassade eines geplanten Asylbewerberheims in Baden-Württemberg hat es gebrannt. Nach Polizeiangaben brach das Feuer in Oberteuringen-Neuhaus (Bodenseekreis) am Dienstag kurz vor 5 Uhr aus. Die Feuerwehr konnte den Brand rasch löschen. Der Sachschaden wird auf 20.000 Euro geschätzt. Über die Brandursache lagen zunächst derzeit keine Erkenntnisse vor.

Die ehemalige Lager- und Produktionshalle sollte zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden. Die Kriminalpolizei in Friedrichshafen nahm die Ermittlungen auf.

Bundespolizei fasst mutmaßliche Schleuser

10.33 Uhr: Die Bundespolizei hat bei Frankfurt an der Oder erneut zwei mutmaßliche Schleuser festgenommen. Der Wagen des 34-jährigen Mannes und der 33 Jahre alten Frau aus Weißrussland sei am Montagabend auf der Autobahn 12 in Richtung Berlin kontrolliert worden, teilte die Behörde am Dienstag mit. Im Auto befand sich demnach ein 43 Jahre alter Armenier, seine 37 Jahre alte Frau sowie zwei drei und neun Jahre alte Kinder. Die armenische Familie hatte lediglich polnische Asylbescheinigungen bei sich und soll den Angaben nach ins Nachbarland zurückgeschoben werden. Das weißrussische Paar wurde wegen des Verdachts der Einschleusung von Ausländern festgenommen.

Bundeskabinett verabschiedet neue Asyl-Gesetze

10.07 Uhr: Als Reaktion auf die anhaltenden Flüchtlingsströme hat das Bundeskabinett am Dienstag nach Angaben aus Regierungskreisen ein umfassendes Gesetzespaket auf den Weg gebracht. Damit sollen die Asylregeln verschärft, die Verfahren beschleunigt und ein zügiger Bau von Unterkünften möglich werden. Vorgesehen sind Milliardenhilfen für Länder und Kommunen. In diesem Jahr verdoppelt der Bund seine Unterstützung auf zwei Milliarden Euro. Ab dem nächsten Jahr übernimmt der Bund für jeden Flüchtling eine Pauschale von 670 Euro pro Monat. Zusammen mit weiteren finanziellen Zusagen etwa für den sozialen Wohnungsbau und die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger können die Länder so 2016 mit mehr als vier Milliarden Euro rechnen.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Bargeldzahlungen wie etwa das Taschengeld durch Sachleistungen ersetzt werden. Wer aus wirtschaftlichen Gründen, aber nicht wegen politischer Verfolgung oder Krieg einreist, soll schneller abgeschoben werden. Für abgelehnte und ausreisepflichtige Personen, die einen Termin zur freiwilligen Ausreise haben verstreichen lassen, sind Leistungskürzungen geplant. Menschen, die in Deutschland bleiben dürfen, erhalten schneller Zugang zu Integrationskursen.

Die Koalition will das Paket im Eiltempo bis Mitte Oktober durch Bundestag und Bundesrat bringen. Die erste Lesung im Bundestag ist schon diese Woche vorgesehen.

Weiterer SPD-Politiker gegen Flüchtlingstrennung

9.56 Uhr: Auch der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka lehnt eine Trennung der Flüchtlinge nach Religion oder Ethnie ab (siehe auch Meldung von 8.26 Uhr). Das sei das Gegenteil von Integration. „Ein großer Teil dieser Menschen muss auch in Zukunft zusammenleben“, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt der „Saarbrücker Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Lischka warnte nach den Auseinandersetzungen in Flüchtlingsheimen vor Verallgemeinerungen. „In der großen Mehrzahl der Unterkünfte herrscht trotz zum Teil widriger Bedingungen ein friedliches Zusammenleben.“

Wenn es Überbelegungen gebe, teilweise um das Fünf- oder Sechsfache, dann reichten häufig Kleinigkeiten, die zum Streit führen. Er gehe davon aus, „dass wir in den nächsten Monaten ausreichend viele Unterkünfte haben werden, damit sich die Situation der Mehrfachbelegungen entspannt“, sagte der SPD-Politiker.

Die Diskussion über eine nach Ethnien und Religionen getrennte Unterbringung von Flüchtlingen war nach einer Massenschlägerei in einer Erstaufnahmeeinrichtung im hessischen Calden wieder aufgeflammt. Im August war es in der Erstaufnahmeeinrichtung im thüringischen Suhl nach einem Fußballspiel zu einer Massenschlägerei gekommen.

Islamwissenschaftlerin für Streitschlichter bei Flüchtlingen

8.38 Uhr: Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor plädiert für den Einsatz von Streitschlichtern in Flüchtlingsunterkünften, um gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern. Natürlich komme es zu Konflikten, wenn so viele Menschen auf engem Raum zusammenleben müssten, sagte Kaddor im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Einschätzung, dass sich in den Unterkünften ein „explosives Gemisch“ zusammenbraue, bezeichnete die Expertin als „populistisches Gerede“.

Im nordhessischen Kassel-Calden hatte es in einer Flüchtlingsunterkunft am Sonntag eine Massenschlägerei zwischen 70 Pakistanern und 300 Albanern gegeben. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte vorgeschlagen, Flüchtlinge nach Religionen zu trennen, um Gewaltausbrüche zu verhindern.

320 Polizisten wegen Suhl-Exzess im Einsatz

8.34 Uhr: Bei der groß angelegten Suche nach Beteiligten am Gewaltausbruch in der Erstaufnahme in Suhl (siehe auch Meldung von 8.18 Uhr) hat die Polizei nun landesweit 15 Verdächtige festgenommen. Die Beamten durchkämmten mehrere Unterkünfte im Freistaat. Genaue Angaben zu den Orten wurden unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen zunächst nicht gemacht. Rund 310 Beamte seien an der Aktion beteiligt, hieß es.

Insgesamt sollten gegen 16 namentlich bekannte Verdächtige Haftbefehle vollstreckt werden. Von den 15 bislang festgenommenen Flüchtlingen stimme die Identität bei 14 mit den Suchdaten überein, berichtete der Polizeisprecher. Die Daten eines Verdächtigen müssten derzeit noch überprüft werden.

SPD gegen Trennung von Flüchtlingen nach Glaube

8.26 Uhr: SPD-Politiker haben sich trotz wiederholter gewaltsamer Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften gegen eine Trennung der Bewohner nach Glaube und Herkunft ausgesprochen. „Das Hauptproblem ist nicht die Ethnie oder die Religion, sondern die Zustände und die beengten Wohnmöglichkeiten“, sagte SPD-NRW-Landesgruppenchef Achim Post der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner, sagte der Zeitung: „Man muss sensibel bei ethnischen Konflikten agieren, aber eine pauschale religiöse oder ethnische Trennung kann nicht die Lösung sein.“

Die Diskussion über eine nach Ethnien und Religionen getrennte Unterbringung von Flüchtlingen war nach einer Massenschlägerei in einer Erstaufnahmeeinrichtung im hessischen Calden wieder aufgeflammt. Die Schlägerei in Calden wurde nach Angaben des Regierungspräsidiums Kassel durch einen Streit bei der Essensausgabe ausgelöst. An der Schlägerei am Sonntag waren Hunderte Flüchtlinge beteiligt, überwiegend Pakistaner und Albaner. Nach Polizeiangaben wurden 14 Menschen verletzt. In dem Lager sind rund 1.500 Menschen aus 20 Nationen untergebracht.

Festnahmen nach Gewaltausbruch in Suhler Flüchtlingsheim

8.18 Uhr: Knapp sechs Wochen nach dem Gewaltausbruch in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge im thüringischen Suhl sucht die Polizei derzeit landesweit nach Verdächtigen. Der Großeinsatz laufe seit 6.30 Uhr, sagte ein Polizeisprecher am Dienstagmorgen in Suhl. Es seien erste Flüchtlinge festgenommen worden. Die Beamten durchkämmen zurzeit mehrere Unterkünfte in Thüringen.

Gegen 16 namentlich bekannte Verdächtige sollen Haftbefehle verstreckt werden. Unter anderem wird ihnen versuchter Totschlag, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch vorgeworfen. Zuvor hatte der MDR Thüringen über den Großeinsatz der Polizei berichtet.

In dem überfüllten Flüchtlingsheim in Suhl war am 19. August die Lage eskaliert, nachdem ein 25-Jähriger mehrere Seiten aus einem Koran gerissen und demonstrativ in eine Toilette geworfen haben soll. Sechs Polizisten und elf Flüchtlinge wurden verletzt. Rund 120 Polizisten mussten ausrücken, um den Gewaltexzess unter Kontrolle zu bringen.