Leipzig. Dämpfer für Bsirske bei Wiederwahl auf dem Gewerkschaftskongress. Aber er gibt sich kämpferisch

D.ämpfer für Verdi-Chef Frank Bsirske: Er steht zwar für weitere vier Jahre an der Spitze der Dienstleistungsgewerkschaft – aber auf dem Bundeskongress der Gewerkschaft in Leipzig erhielt er gestern mit 88,5 Prozent sein bisher schlechtestes Ergebnis. Der 63-Jährige ist bereits seit 2001 Vorsitzender von Verdi.

Kritiker an der Basis hatten ihm vorgehalten, im noch andauernden Kita-Tarifkonflikt die Stimmung der Basis falsch eingeschätzt zu haben. Einen Schlichterspruch hatten die Verdi-Mitglieder abgelehnt. Im Oktober könnte es zu neuen Streiks kommen, wenn Verhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern Anfang kommender Woche kein Ergebnis bringen.

Bsirske stimmte kurz vor seiner Wiederwahl die Mitglieder auf weitere Streiks ein – den Kitas könnten die Krankenhäuser folgen. Das Eintreten für eine „Aufwertung“ sozialer Berufe werde nicht auf den aktuellen Kita-Streit beschränkt, sagte der Vorsitzende. So seien Personalmindeststandards in Krankenhäusern bitter nötig. Etwa zu spärlich besetzte Nachtschichten dürfe es nicht geben. „Das ist ein dringendes Erfordernis, auch wenn es um die Patienten, um ihre Sicherheit geht“, erklärte Bsirske.

Bei den Kita-Erzieherinnen werde sich in Verhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern am kommenden Montag und Dienstag entscheiden, „ob es weitergeht mit dem Streik“.

Im Kita-Tarifkonflikt könnte es im Oktober wieder Streiks geben

Gut möglich, dass Eltern Mitte Oktober dann tausendfach keine Kita-Betreuung für ihre Kinder haben – auch Notdienstvereinbarungen könnten gekündigt werden, hieß es. Verdi hatte bei den Tarifverhandlungen im Schnitt zehn Prozent mehr Gehalt verlangt.

Zwischen 2 und 4,5 Prozent hatten die Schlichter vorgesehen, Bsirske hatte das zunächst akzeptiert – und musste zurückrudern, weil die enttäuschte Gewerkschaftsbasis rebellierte. Völlig unabsehbar ist auch der Ausgang im Dauerstreit mit Amazon. „Einen Tarifvertrag durchsetzen konnten wir bisher noch nicht“, räumt Bsirske ein. Zu einer offenen Abrechnung mit der Verdi-Führung kam es deshalb allerdings kaum. Stundenlang konnten die Delegierten ihrem Herzen Luft machen, aber scharfe Kritik blieb die Ausnahme. Ein Delegierter warf Bsirske vor, die Lage schön zu reden. „Wenn wir mit unseren Forderungen auch einmal nicht durchgekommen sind, dann sollten wir auch kritische Worte verlieren“, erklärte er. Doch den meisten Delegierten waren andere Themen wichtiger, der arbeitsfreie Sonntag etwa oder die Tarifflucht vieler Firmen.

Bsirske beteuerte, er werde nicht unbegrenzt an der Verdi-Spitze stehen: „Von Ewigkeit ist nichts, auch dieser Vorsitzende nicht“. Das Grünen-Mitglied gilt als prägende Integrationsfigur der Gewerkschaft, die in 13 verschiedenen Fachbereichen rund 1000 Berufe versammelt. Seine Stellvertreterin An­drea Kocsis wurde mit 90,2 Prozent im Amt bestätigt. Bsirske hielt seinen Kritikern entgegen, in den Kita-Konflikt sei die Basis mit Streikdelegierten stets einbezogen gewesen.