Washington . Vor der zweiten Fernsehdebatte bauen im republikanischen Bewerberfeld für die US-Präsidentschaft zwei Anti-Politiker ihren Vorsprung gewaltig aus

Das gibt‘s nur in Amerika: Ein egomanischer Bauunternehmer, der seine Konkurrenten mit Vorliebe „Stümper“ und „Schwächlinge“ nennt, und ein pensionierter Neurochirurg, der einmal erfolgreich siamesische Zwillinge getrennt hat, gehen morgen (Mittwoch) mit Favoriten-Status in die zweite Fernsehdebatte der 16 republikanischen Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur im kommenden Jahr. Dass Donald Trump und Ben Carson, beide politisch unbeleckt, in der Bibliothek von Alt-Präsident Ronald Reagan im kalifornischen Simi Valley vor einem Millionenpublikum ihren Vorsprung in den Umfragen ausbauen werden (zusammen kommen sie derzeit auf 53 Prozent Zustimmung im konservativen Wähler-Milieu), gilt unter US-Beobachtern als so gut wie ausgemacht.

„Viele Leute haben die konventionellen Politiker absolut satt“, erklärt Larry Sabato, Politik-Professor an der Universität von Virginia, „Echtheit und Klartext zählen.“ Mehr noch: Arbeitsnachweise aus dem Maschinenraum des trägen amerikanischen Politik-Tankers gelten für viele Wähler beinahe als Ausschlusskriterium. 70 Prozent der Anhänger der „Grand Old Party“ (GOP) werfen ihren Kongress-Abgeordneten vor, viel zu biegsam im Umgang mit dem chronisch verhassten demokratischen Präsidenten Barack Obama zu sein. Auch jüngere Kandidaten wie Marco Rubio oder Ted Cruz, die erst seit Kurzem als Senatoren amtieren, werden in Sippenhaft genommen für das, was man dem Politik-Betrieb der Hauptstadt landläufig vorhält: Totalversagen. Stillstand. Mauschelei. Selbstbedienung. Und elitäre Volksferne.

Donald Trump bündelt den Volkszorn: Endlich einer, der sagt, was er denkt

Frische Umfragen dokumentieren den Ansehensverlust, der durch das Erstarken des radikalen Tea-Party-Flügels der republikanischen Partei in Wut und Hass umgeschlagen ist. 70 Prozent der Amerikaner haben kein Vertrauen mehr in die Politiker. 60 Prozent halten das Zwei-Parteien-System und seine von außen schwer durchschaubaren Entscheidungswege für kaputt. Sechs von zehn Wählern wollen einem Seiteneinsteiger den Weg ins Weiße Haus ebnen. Auch darum wird der einzigen Frau im republikanischen Rennen, Carly Fiorina, ehemals Vorstandsvorsitzende des Computer-Konzerns HP, in den nächsten Monaten noch einiges zugetraut. Bei Sympathisanten der Demokraten ist die Verdrossenheit weniger ausgeprägt. Hier steht nur ein Viertel auf den Typus Anti-Politiker, den niemand drastischer verkörpert als Donald Trump.

Seit der 69-jährige Milliardär aus New York im Mai seinen Hut in den Ring geworfen hat, kennen seine Zustimmungsraten nur eine Richtung: steil nach oben. Mit konsequent unverschämten Auftritten, bei denen Trump gegen Frauen, Einwanderer, Medien und vor allem Politiker agitiert („reden nur, können nichts“) bündelt er den weit über Pegida-Niveau angesiedelten Volkszorn. Als personifizierter Stinkefinger gegen das politische Washington reicht ihm eine Baseball-Kappe mit der bei Ronald Reagan geklauten Aufschrift „Make America Great Again“ (Macht Amerika wieder groß), um bei Kundgebungen Tausende in Euphorie zu versetzen. „Endlich einer, der sagt, was er denkt“, ist die Standard-Reaktion von Neu-Trumpianern.

Dass der Bau-Mogul statt politischer Konzepte reihenweise absurde Versprechen von sich gibt, man denke an seinen Plan einer riesigen Mauer an der Grenze zu Mexiko, um illegale Einwanderer abzuwehren, lassen ihm viele Wähler durchgehen. Jede Kritik prallt nicht nur an ihm ab. „Sie macht ihn noch angriffslustiger“, schreiben Kommentatoren der Hauptstadtpresse. Versuche des zu Jahresbeginn noch als Favorit gesetzten Ex-Präsidenten-Sohnes und -Bruders Jeb Bush, Trump als Hetzer und Hohlkopf zu marginalisieren („man kann sich den Weg ins Weiße Haus nicht erstänkern“), sind bisher gescheitert. Bush rangiert in Umfragen mit acht Prozent bisher auf verlorenem Posten. Stattdessen hat sich der stets bedächtig auftretende Ben Carson mit seiner Rhetorik als tiefgläubiger „Brückenbauer in einer zerrissenen Gesellschaft“ gerade im religiösen Wählerspektrum viele Meriten erworben.

Aber auch bei Trump ist nicht alles Gold. Selbst als Umfragen-König steht er unter Schwindelverdacht. 60 Prozent der Amerikaner halten Trump für unehrlich, nicht vertrauenswürdig und ungenügend qualifiziert, um das höchste Amt im Staate zu bekleiden. Altgedienten Konservativen geht bei solchen Zahlen das Herz auf. Sie erinnern daran, dass bei den Wahlkämpfen 2007 und 2011 zum gleichen Zeitpunkt mit dem früheren New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani und dem texanischen Gouverneur Rick Perry ebenfalls zwei Kandidaten vorn lagen, die mit blankem Populismus punkten wollten. Später stutzten die Wähler sie auf Bonsai-Format.