Bonn. Die Erfolge bei den Kommunalwahlen in NRW lassen die Union nach vielen Pleiten auf eine Trendwende hoffen

Am Tag nach seinem Triumph machte Ashok-Alexander Sridharan, nun ja, Dienst nach Vorschrift. In Königswinter, wo der künftige Oberbürgermeister von Bonn seit Jahren Stadtkämmerer ist, tagte der Finanzausschuss: „Da hilft nichts, da muss ich dabei sein“, so Sridharan gestern in einem Telefonat mit dem Abendblatt – Wahlsieg hin oder her. Dabei hätte der 50-Jährige reichlich Grund zum Feiern: Auch wenn er erst am 21. Oktober offiziell seinen neuen Posten antritt, ist er doch seit Sonntag Deutschlands bekanntester CDU-Oberbürgermeister. Prozent für Prozent kämpfte er sich am spannenden Wahlabend an die 50-Prozent-Marke heran – am Ende waren es exakt 50,06 Prozent der Stimmen, die ihm den sensationellen Sieg brachten. Nach 21 Jahren bekommt Bonn wieder einen CDU-Rathauschef.

Ashok-Alexander Sridharan ist nicht irgendein Wahlsieger. Der Sohn eines indischen Diplomaten und einer Deutschen, der mit seinem exotischen Namen und der dunklen Hautfarbe zu Beginn seiner Kandidatur auch in der eigenen Partei auf Skepsis gestoßen war, soll nun plötzlich eine neue, weltoffene Großstadt-CDU symbolisieren. Rathaus um Rathaus hatte die Union in den letzten Jahren verloren, zuletzt die beiden Landeshauptstädte Düsseldorf und Dresden. Von den 20 größten deutschen Städten waren nur noch zwei in der Hand von CDU-Oberbürgermeistern. Der Erfolg des CDU-Mannes in der ehemaligen Bundeshauptstadt – Nummer 19 in der Städte-Rangliste – soll nun die Trendwende bringen. „CDU kann auch Großstadt“, jubelte bereits Generalsekretär Peter Tauber per Twitter.

Und Sridharan selbst? „Ein tolles Zeichen“ sei seine Wahl, das schon. Und die „Internationalität“ der früheren Hauptstadt habe ihm sicher im Wahlkampf geholfen. „Wenn man zweisprachig aufgewachsen ist und den Umgang mit verschiedenen Kulturen von Haus aus kennt, hat man in manchen Punkten eine andere Perspektive“, sagt der Mann, der im Wahlkampf aus seinem Migrationshintergrund eine Tugend („Ich bin ein bönnscher Inder“) machte, vom vermeintlichen Verlegenheitskandidaten zum ernsthaften Anwärter avancierte – und letztlich zum ersten CDU-Oberbürgermeister mit ausländischen Wurzeln in einer deutschen Großstadt. Dass er aber gleichsam die Blaupause liefere für andere CDU-Kandidaten, glaubt er dann doch nicht: Da müsse man „von Stadt zu Stadt beurteilen, wie die jeweilige Situation ist“.

So sieht es auch Armin Laschet, Landesvorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen. „Es hängt immer am Kandidaten. Wenn er oder sie das Lebensgefühl einer Stadt aufgreift, dann sind die Siegchancen groß“, sagte er gestern dieser Zeitung. Das sei in Bonn der Fall gewesen. Gleichwohl habe der Wahltag in Nordrhein-Westfalen „den Nachweis für die Partei erbracht, dass es auch in Großstädten geht“, so Laschet.

Die CDU schöpft also Hoffnung; zumal die Partei am Sonntag in NRW auch in anderen Städten mit guten Ergebnissen überraschte. Im roten Ruhrgebiet trumpften Unions-Kandidaten unerwartet stark auf. Oberhausen, wo sich der Christdemokrat Daniel Schranz sensationell gegen den SPD-Bewerber Apostolos Tsalastras durchsetzte, wird künftig erstmals seit fast 60 Jahren schwarz regiert. Und in Essen hat der CDU-Bewerber Thomas Kufen beste Chancen auf einen Sieg in der Stichwahl in zwei Wochen gegen den amtierenden Oberbürgermeister Reinhard Paß von der SPD.

Experten sind noch skeptischbei der Trendwende

Doch wie aussagekräftig sind die Ergebnisse vom Sonntag überhaupt? Politikwissenschaftler zeigen sich skeptisch, ob die Wahlen in Nordrhein-Westfalen wirklich die Großstadtwende für die CDU gebracht haben. „Es gibt aus CDU-Sicht einen Hoffnungsschimmer. Aber im Augenblick ist es eher so etwas wie ein Gesundbeten bei der CDU“, sagt etwa der Münsteraner Politologe Klaus Schubert. „Wenn sich jedoch in Essen bei der Stichwahl in zwei Wochen der CDU-Kandidat durchsetzten würde, hätte das schon ein anderes Kaliber.“

Ein wichtiger Faktor am Sonntag war die geringe Wahlbeteiligung. Während in Bonn immerhin noch 45,1 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, lag die Beteiligung in anderen Städten erheblich darunter. So ging in Essen (33,9 Prozent) nur jeder Dritte zur Wahl. Nicht viel besser sehen die Zahlen in Mülheim/Ruhr (36,5), Wuppertal (36,7), Oberhausen (36,7) oder Bochum (38,3) aus. Mancherorts, etwa in Unna bei Dortmund oder auch in Herne, gingen nicht einmal mehr 30 Prozent zur Wahl.

Politologe: „Das Experiment derWahltrennung ist gescheitert“

Ein Grund für die Wahlmüdigkeit ist wohl die Trennung von Rats- und Bürgermeisterwahl bei den Kommunalwahlen an Rhein und Ruhr. Diese Aufspaltung war noch von der schwarz-gelben Landesregierung unter Jürgen Rüttgers (CDU) eingeführt worden. „Das Experiment ist gescheitert“, urteilt nun nicht nur der Politologe Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg/Essen. Die rot-grüne Nachfolgerregierung hat die Reform inzwischen revidiert – beim nächsten Mal werden Stadträte und Bürgermeister wieder am selben Tag gewählt.

Doch bis dahin droht noch ein neuer Tiefpunkt – nämlich bei den Stichwahlen, die am übernächsten Sonntag anstehen. „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass bei den Stichwahlen das Interesse vieler Wähler noch einmal sinkt“, hat auch der Sieger von Bonn, Ashok-Alexander Sridharan, beobachtet. Aber das ist dann nicht mehr sein Problem.