Kairo.

„Guten Tag, die Saison hat begonnen – hier sind unsere Trips“, prahlt einer der Facebook-Einträge. Dann folgen die Preise: Türkei–Italien 3800 Dollar, Libyen–Italien, weil kürzer, 2500 Dollar. „Alle Boote sind aus Holz, Länge 22 Meter, Breite 4,5 Meter.“ Auf dem geposteten Foto sind drei der betagten Seelenverkäufer abgebildet, irgendwo vertäut in einem Hafen des südlichen Mittelmeers. Unten steht die Telefonnummer für Whatsapp und Viber – „Fragen Sie alles, was Sie wissen wollen“, wirbt der Text, der längst kein zynischer Einzelfall mehr ist.

Gefälschte Pässe und Visa sind ebenfalls zu haben

Tausende Schleuser vor allem in Ägypten, Libyen und der Türkei suchen diesen Sommer ihre Kunden per Internet. Er bekomme inzwischen zehn bis zwanzig Anfragen am Tag, brüstete sich einer gegenüber der BBC. Vor drei Jahren habe noch niemand online gearbeitet. „Inzwischen macht das 30 bis 40 Prozent meines Geschäftes aus.“ Kein Wunder, dass für Flüchtlinge ihr Smartphone längst zum wichtigsten Begleiter geworden ist. Entlang der nordafrikanischen Küste agiert eine länderübergreifende Seemafia, die den Verzweifelten aus Syrien, Irak, Afghanistan oder Eritrea Überfahrten nach Lampedusa oder Griechenland verkauft.

300.000 Menschen haben 2015 bereits diese lebensgefährliche Route über das Wasser gewählt, mindestens 4200 sind ertrunken. Bis zum Jahresende könnten es 800.000 werden. Mindestens eine Milliarde Dollar flossen allein in den ersten sechs Monaten in die Taschen der skrupellosen Mittler, die ihre Dienste bisweilen wie reguläre Kreuzfahrten anpreisen, „empfohlen für Familien, Kinder die Hälfte“, unterlegt mit Fotos von hell erleuchteten Luxuslinern. „Wir verkaufen den Traum von Europa“, spottete einer der Schmuggler.

Gefälschte Pässe und Visa sind ebenfalls per Facebook zu haben. 90 Tage Großbritannien kosten 7000 Dollar, Bearbeitungszeit eine Woche – „bitte nur ernstgemeinte Angebote“. Manche fügen ihren Werbeseiten sogar die „Bewertungen“ ihrer angeblich zufriedenen Fluchtkunden hinzu. Der italienische Journalist Giampaolo Musumeci, der ein Buch über nordafrikanische Schmuggelnetze geschrieben hat, spricht vom „größten illegalen Reisekonzern der Welt“. Egal ob Passfälscher in der Türkei, Bootsschlepper in Libyen oder Lastwagenfahrer in Mali, dank Internet operieren die Menschenhändler inzwischen quer über mehrere Kontinente. Polizei und Küstenwache sind dem Treiben nicht gewachsen – oder schauen gegen ein entsprechendes Handgeld weg.

Genauso ratlos agiert auf der gegenüberliegenden Seite des Mittelmeeres die Europäische Union. „Medienplattformen wie Facebook und Twitter werden genutzt, um Informationen zu verbreiten, wie man illegal in die EU einreisen kann und welche Zugänge gerade offen sind“, stellt die Grenzkontrollbehörde Frontex lapidar in einer Untersuchung fest. Martialischen Ankündigungen, man werde die Marine gegen Schmuggler einsetzen, folgten bisher keine Taten. Denn die libysche Küste ist mehr als 1700 Kilometer lang, der Staat funktioniert nicht mehr. Und die wenigen libyschen Patrouillenboote fahren nur noch raus, wenn ein Flüchtlingskahn bereits in Sichtweite des Ufers in Seenot gerät.

Mittlerweile jedoch verlagert sich der Schmuggel immer mehr von der Türkei oder direkt von Syrien nach Griechenland, weil dort die Seewege kürzer sind. „Unsere Boote sind sicher und komfortabel“, werben Istanbuler Mafiabosse, um ihre höheren Preise zu rechtfertigen. Andere Schmuggler plakatieren den Platz im Acht-Meter-Schlauchboot für 35 Insassen mit ganzen 900 Dollar. Einer der Flüchtlinge kommentierte das gewissenlose Geschacher auf Facebook mit Galgenhumor: „Wenn wir ersaufen“, postete er, „bekommen wir dann unser Geld zurück?“