Rom/Berlin.

In Zukunft soll es schneller gehen und weniger kosten, eine katholische Ehe zu annullieren. Das kommt nicht einer Ehescheidung gleich. Doch könnte die neue Regelung es vielen Katholiken leichter machen, ihren Glauben zu praktizieren. Papst Franziskus hat das Ehenichtigkeitsverfahren jetzt kurzerhand und im Alleingang erneuert.

Der Reformpapst wird wieder einmal seinem Namen gerechtet. Nur wenige Wochen vor der Familiensynode wurden im Vatikan zwei Papstschreiben zum Ehenichtigkeitsverfahren vorgestellt. Es soll künftig nur noch eine Instanz kennen, schneller gehen und den Bischöfen mehr Macht geben, die von nun an das letzte Wort haben. Die örtlichen Gerichte entscheiden, während die gefürchtete Rota, das päpstliche Gericht der Kurie in Rom, nur noch in Einzelfällen aktiv werden wird.

Im Jahr 2013 wurden inDeutschland 740 Ehen annulliert

Diese Frage hätte im Zentrum der Familiensynode gestanden, bei denen die Bischöfe aus aller Welt auch für Themen wie die Kommunion für Wiederverheiratete oder Homo-Ehen Lösungen finden sollen. Nun hat Franziskus mit seiner Entscheidung der Bischofsversammlung vorgegriffen. Er kann es tun, er ist der Papst und der Vatikan kein demokratischer Staat.

Doch demokratischer soll das Leben mit und in der Kirche für die Katholiken werden. Höchstes Ziel sei „die Rettung der Seelen“, schreibt Papst Franziskus in seiner Einleitung zum Text „Mitis Iudex Dominus Iesus“ (Der gütige Richter Jesus). Die bisherige Regelung, die aus dem Jahr 1741 stammt, schien dem Papst offensichtlich überholt. Im neuen Text werden die Bischöfe aufgefordert, dass sie „vor allem von der apostolischen Sorge getrieben sein sollten, die verlorenen Seelen zu erreichen“. Das ist eine deutliche Ansage: Der Kirche laufen die Gläubigen weg, der Papst will sie zurückholen.

Die Entscheidung zur Annullierung sei auch im Einklang mit dem allgemeinen Ziel von Franziskus’ Pontifikat, sich den „Kirchen an den Peripherien“ zu öffnen, „häufig ja voller armer Menschen, die geschieden sind”, erklärte Monsignor Pio Vito Pinto, der Vorsitzende einer Gruppe hoher Geistlicher, die Papst Franziskus bei dem Reformentwurf beraten hatten.

Im Einzelnen sieht die Reform vor, dass eine Ehe nach einer Instanz für nichtig erklärt werden kann. Bisher gab es mindestens zwei Instanzen, manchmal die dritte vor der Rota in Rom. Jetzt kann das örtliche Gericht der Kirche oder der Bischof die Nichtigkeit zügiger feststellen. Die Rota soll nur noch in strittigen Fällen als letzte Instanz angerufen werden.

Wenn bisher galt, dass während eines Verfahrens vor allem der Versuch einer Schlichtung und die Wiederherstellung der Ehe im Vordergrund stand, können die Eheleute sich nun um eine Annullierung bemühen, wenn sie über die Nichtigkeit einig sind. Dann soll es reichen, wenn sie die Beweise für die Nichtigkeit beibringen, die sie im Einvernehmen unterschreiben. Die eigenen Aussagen und Unterlagen stehen im Mittelpunkt, nicht mehr Beweise oder Zeugenaussagen von Dritten, die früher Beweise für die Gültigkeit der Ehe einreichen konnten. Gründe für die Nichtigkeit können etwa der mangelnde Willen, gemeinsam Kinder zu bekommen oder ein bestehendes außereheliches Verhältnis von einem der Partner sein.

Früher konnten die Ehenichtigkeitsverfahren lange dauern, in komplizierten Fällen bis zu zehn Jahren. Jetzt soll eine Dauer von 30 Tagen nicht überschritten werden. Es soll außerdem keine Kosten mehr geben. Bisher nahmen örtliche Gerichte 200 bis 300 Euro. An der Rota konnte es sogar deutlich teurer werden: bis zu mehreren Tausend Euro.

Franziskus hatte es mit seiner Reform wohl deshalb eilig, um dem Widerstand konservativer Bischöfe bei der anstehenden Synode aus dem Weg gehen zu können. Nach Angaben des Vatikans wurden 2013 weltweit rund 47.150 Ehen für nichtig erklärt – bei insgesamt 71.800 abgeschlossenen Verfahren. Davon entfielen mit 24.600 mehr als die Hälfte der annullierten Ehen auf die USA. In Deutschland waren es in diesem Zeitraum 740.

An der Unauflöslichkeit der Ehe und damit dem Verbot der Ehescheidung hält der Vatikan unverändert fest. Dies betonte auch der Vorsitzende der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx am Dienstag in Berlin: „Eine zweite sakramentale katholische Ehe, das wird nicht möglich sein.“