Brüssel. Schlepper-Boote im Mittelmeer sollen künftig gestoppt und durchsucht werden – Bundesregierung will vor Zustimmung des Bundestags Details klären

Vor einer geplanten Ausweitung des Marineeinsatzes gegen Schlepper im Mittelmeer verlangt die Bundesregierung Aufklärung über Art und Umfang der Mission.

„Wir wollen Klarheit, was auf uns zukommt“, sagte ein deutscher Diplomat in Brüssel. Noch könne die nächste Stufe der EU-Marineoperation mit dem Namen „EU Navfor Med“ nicht im Bundestag beschlossen werden. Man brauche noch mehr Informationen. Grundsätzlich sei Deutschland aber weiterhin dafür, Schlepperboote auf hoher See aufzubringen.

„In den EU-Gremien laufen derzeit die Beratungen darüber“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Deutschland sei bereits mit zwei Schiffen an der EU-Mission beteiligt, die bislang allerdings noch keine militärischen Kampfmaßnahmen vorsieht. Die Bundesmarine habe in den letzten Monaten mehr als 2500 Menschenleben im Mittelmeer gerettet, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Nach verschiedenen Medienberichten ist geplant, im Kampf gegen Schleuser sieben Kriegsschiffe, aber auch U-Boote, Drohnen und Flugzeuge außerhalb der libyschen Küstengewässer einzusetzen. Nach Angaben aus EU-Kreisen könnten Soldaten bereits im Oktober damit beginnen. Die Bundesregierung sei bereit, sich daran zu beteiligen, wolle allerdings hierfür ein Mandat des Bundestages, hieß es.

Die EU-Regierungen hatten im Mai die Marineoperation beschlossen. Sie soll das Geschäftsmodell der Schleuser zerschlagen, Flüchtlingen aus Nordafrika und der Türkei für viel Geld eine Seepassage nach Europa anzubieten. Darüber beraten am kommenden Wochenende auch die EU-Verteidigungs- und Außenminister.

In der ersten Etappe, die im Juni startete, sind die beteiligten EU-Boote im Mittelmeer Patrouille gefahren, um „Migrationsnetzwerke“ zu entdecken und zu zerschlagen. Beteiligt waren daran auch die deutschen Schiffe. Bei der Mission wurden nach Angaben aus EU-Kreisen mehr als 1400 Menschen gerettet und zehn Schmuggler gefasst.

Der Kommandant der Operation, der italienische Konteradmiral Enrico Credendino, hat nun den Mitgliedsstaaten empfohlen, den Einsatz zu verschärfen. Die EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini unterstützt den Vorschlag. Danach würden Credendinos Verbände „auf hoher See Schiffe anhalten und durchsuchen, beschlagnahmen und umleiten“. Wie das im Einzelnen ablaufen soll, ist noch offen. Zumal die EU-Regierungen erst auf einer Truppensteller-Konferenz Mitte des Monats konkret zusagen sollen, was sie an Soldaten und Gerät beisteuern wollen.

Am kommenden Dienstag soll es eine Sitzung hochrangiger Diplomaten der Mitgliedsstaaten geben. Bis dahin erwartet die Bundesregierung schriftliche Auskunft zu den noch offenen Punkten: Welchen genauen Auftrag bekommen die EU-Soldaten? Wie sollen sie bewaffnet sein? Wie reagieren sie bei Gegenwehr? Was soll mit festgenommenen Schleppern geschehen?

Das heikle Problem der völkerrechtlichen Unbedenklichkeit stellt sich noch nicht, weil die EU-Kräfte in diesem Stadium der Mission nur in internationalen Gewässern operieren sollen. Dafür reicht nach Ansicht der EU-Strategen das Seerecht. Ein UN-Mandat oder eine Anforderung durch Drittstaaten – gemeint ist in erster Linie Libyen – sei nicht nötig. Das würde sich allerdings ändern, wenn die EU auch die nächsten Etappen des Gesamtplans in Angriff nimmt. Sie sehen einen Einsatz unmittelbar vor und an den nordafrikanischen Küsten vor, einschließlich der Zerstörung der Schlepperboote.