Berlin .

Erst die Pkw-Maut für Ausländer, jetzt eine Initiative zum Schutz vor Bahnlärm: Verkehrsminister Alexander Dobrindt liegt ein weiteres Mal mit der EU-Kommission über Kreuz. Dobrindt will noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zum Verbot lauter Güterzüge vorstellen – und den Widerstand aus Brüssel überwinden. „Für das Einmischen der EU-Kommission in meine Lärmschutzinitiative habe ich kein Verständnis“, sagte Dobrindt dem „Hamburger Abendblatt“. „Das zeigt mal wieder, wie weit Brüssel von den Bedürfnissen der Menschen vor Ort entfernt ist.“ Er lasse sich von seinem Vorhaben aber nicht abbringen, bekräftigte der Verkehrsminister. „In fünf Jahren sollen keine lauten Gütertransporte mehr auf deutschen Gleisen fahren.“

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen von 2020 an keine Güterwagen mehr im deutschen Netz erlaubt werden, die sogenannte Flüsterstandards nicht erfüllen. Dafür will der Verkehrsminister die Umrüstung alter Güterwagen mit bis zu 152 Millionen Euro fördern. Von der Flüstertechnik verspricht sich Dobrindt, den Lärm der Güterzüge zu halbieren.

Doch Brüssel stellt sich quer. In einer schriftlichen Stellungnahme, die dieser Zeitung vorliegt, fordert die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Violeta Bulc den Verkehrsminister auf, das „deutsche Verbot lauter Waggons nicht einseitig ab 2020“ anzuwenden. Vielmehr sollten Dobrindts Pläne „mit der breiteren gesamteuropäischen Lösung, die 2021 umgesetzt sein sollte, in Einklang gebracht werden“. Im Verkehrsministerium glaubt man allerdings nicht an eine europäische Lösung. Die Ankündigung stehe schon seit Monaten im Raum, heißt es. Konkrete Fakten sei die EU jedoch schuldig geblieben.

Güterzüge fahren vor allem auf den Nord-Süd-Trassen durch Deutschland

Neben der Umrüstung von Güterzügen dringt Dobrindt auf besseren Lärmschutz an den Strecken. Dafür wurden nach Angaben seines Hauses die Fördermittel für 2014 und 2015 um 30 Prozent auf 130 Millionen Euro erhöht. Außerdem gelten seit diesem Jahr bei Neu- und Ausbau von Bahnstrecken strengere Lärmschutzwerte. „Wir wollen die Menschen von Bahnlärm entlasten, ihr Leben hörbar besser machen“, sagte Dobrindt.

Güterzüge sind in Deutschland verstärkt auf den Nord-Süd-Trassen unterwegs. Waren, die in den großen Häfen ankommen, werden über diese Wege in Europa verteilt. Von besonderer Bedeutung ist die Strecke Rotterdam–Genua, die auch durch das Ruhrgebiet geht. Annähernd 67.000 Güterzüge werden jährlich durch Duisburg geleitet. Eine weitere Haupttrasse führt von Hamburg aus nach Süden. Der Abschnitt zwischen dem Hafen der Hansestadt und dem Stadtteil Harburg wird im Jahr von rund 49.000 Güterzügen befahren. In Berlin ist eine Strecke, die zwischen Ludwigsfelde und Großbeeren liegt, mit etwa 27.000 Güterzügen im Jahr betroffen.

Viele Menschen in Deutschland leiden unter dem Schienenlärm. Nach Angaben des Umweltbundesamts sind 1,9 Millionen Menschen in der Nacht mehr als 55 Dezibel ausgesetzt. Diese Menschen werden anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sagen Mediziner. Der Güterverkehr wird in den nächsten Jahren noch zunehmen – nach der Verkehrsprognose der Bundesregierung bis 2030 um 43 Prozent.

In den vergangenen Monaten hatte die Auseinandersetzung um die Pkw-Maut zu Verstimmungen zwischen Dobrindt und Bulc geführt. Die EU-Kommission geht inzwischen juristisch gegen die Abgabe vor. Begründung: Die Maut diskriminiere ausländische Autofahrer, weil die Deutschen im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg können zwei Jahre vergehen. Das Maut-Projekt liegt auf Eis.