Berlin.

Im Streit um eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen in Europa erhöht Deutschland den Druck auf andere EU-Mitgliedstaaten. CDU und CSU sprechen inzwischen von der Möglichkeit, wieder Grenzkontrollen einzuführen, um die Zahl der einreisenden Flüchtlinge zu senken. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem Abendblatt: „Wer jetzt nicht handelt, setzt die Reisefreiheit in Europa aufs Spiel und hat es mit zu verantworten, wenn Deutschland sich gezwungen sähe, Grenzkontrollen wieder einzuführen.“

Herrmann betonte, Ziel sei es zwar, Freizügigkeit und Reisefreiheit in Europa zu erhalten. Dies sei aber nur möglich, wenn sich alle Mitgliedstaaten an die gemeinsamen Regeln hielten. „Wenn Abertausende Menschen mit dem Hauptziel Deutschland völlig unkontrolliert und ungesteuert über die griechische oder die italienische Grenze nach Europa strömen, funktioniert das System nicht mehr und verliert seine Akzeptanz.“

Der CSU-Politiker verlangte, die EU müsse dafür sorgen, dass in Italien und Griechenland Aufnahmezentren eingerichtet würden, von wo aus die Flüchtlinge entweder in ihre Heimat zurückgeschickt „oder nach einem gerechten Schlüssel ähnlich wie unter den Bundesländern in Deutschland verteilt werden.“ So wie jetzt könne es nicht weitergehen.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte vor einer Gefährdung der Reisefreiheit in Europa: „Wenn die Flüchtlinge innerhalb Europas nicht gerechter verteilt werden, wird die Debatte um Grenzkontrollen zunehmen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Es könne nicht länger sein, „dass manche Mitgliedstaaten sich hier völlig aus der europäischen Solidaritätsgemeinschaft verabschieden.“ Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb in einem Beitrag für die „Welt“, Hasstiraden und unbesonnene Äußerungen brächten die Reisefreiheit in Europa in Gefahr.

Heute wollen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident François Hollande treffen und über eine europäische Lösung des Flüchtlingsproblems sprechen. Merkel hatte die Flüchtlingsfrage jüngst zur schwierigsten europapolitischen Herausforderung ihrer fast zehnjährigen Amtszeit erklärt. Bisher haben die beiden zentralen Staaten in der EU noch keine gemeinsame Haltung zur Flüchtlingsfrage entwickelt.