Athen. Griechenlands Parlament stimmt mit Unterstützung der Opposition drittem Rettungspaket zu. Neuwahlen rücken näher

Die gute Nachricht ging an die Adresse der Geldgeber. Das griechische Parlament hat am Freitag alle Voraussetzungen erfüllt, die die EU-Spitzen von Athen verlangt hatten: Es billigte mit großer Mehrheit das neue Hilfsprogramm und die damit verbundenen harten Sparmaßnahmen. Von den 297 anwesenden Abgeordneten stimmten 222 dafür. Die schlechte Nachricht bekam der griechische Regierungschef Alexis Tsipras. Er verlor zum dritten Mal seit Juli die Koalitionsmehrheit und muss jetzt sehen, wie es weitergehen soll.

Diesmal kam es für Tsipras sogar noch dicker. Am Ende fehlten ihm 44 Stimmen aus dem eigenen Lager – 32 Koalitionsabgeordnete stimmten gegen das Sparprogramm, elf enthielten sich, und ein Parlamentarier erschien gar nicht zur Abstimmung über das Milliarden-Hilfsprogramm für das klamme Euro-Land. Damit kann die Links-rechts-Koalition nur mehr auf 118 ihrer 162 Abgeordneten bauen. Diese Zahl reicht nicht, um zu garantieren, dass die Minderheitsregierung die nun wahrscheinliche Vertrauensabstimmung aus eigener Kraft überstehen kann. Die Verfassung schreibt dafür als absolute Untergrenze mindestens 120 Stimmen vor.

Wie es aus Regierungskreisen hieß, will Tsipras die Herausforderung des linken Flügels seiner Syriza-Partei annehmen. Sobald das Hilfspaket gesichert sei, wolle er vor dem Parlament zum „Showdown“ erscheinen und die Vertrauensfrage stellen.

Beobachter vermuten, Tsipras liebäugele schon seit geraumer Zeit mit Neuwahlen. Er weiß, dass mit dem Sparprogramm in den kommenden Monaten eine Welle von neuen Steuern und Rentenkürzungen auf die Griechen zurollt. Bevor die ankommt, wolle Tsipras von den Griechen ein neues frisches Mandat fordern, meinen Beobachter in Athen. Befreit von der Last seines linken Flügels wolle er die Wende zur politischen Mitte vollenden und zugleich den Griechen versprechen, sie bei den weiteren harten Verhandlungen in Zusammenhang mit einer möglichen Umstrukturierung des griechischen Schuldenbergs so gut wie möglich zu vertreten.

Schon in den vergangenen Monaten hatte Tsipras nach und nach seine radikalen Wahlversprechen von einem Ende der Sparpolitik aufgegeben. Im Parlament argumentierte er nun, Griechenland habe das Sparprogramm akzeptieren müssen, um einen vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Spiel gebrachten vorübergehenden Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zu verhindern. Dies wäre nach Ansicht des Regierungschefs finanzieller „Selbstmord“ gewesen. Tsipras: „Wir konnten einen Bankrott abwenden.“ Mit Blick auf die Abweichler im linken Flügel seiner Syriza-Partei sagt er: „Wer glaubt, er hätte etwas Besseres erreichen können, der soll es uns sagen.“

Die Debatte vom Freitag wird vielen Griechen unvergessen bleiben: An so eine ungewöhnliche Sitzung und Debatte des Parlaments in Athen kann sich niemand in Griechenland erinnern. Selbst altgediente Parlamentsreporter wollten nicht glauben, dass die Debatte um 1.00 Uhr begann und erst rund sieben Stunden später zu Ende ging. Viele Minister und Abgeordnete verließen am Morgen nach der Abstimmung mit dunklen Ringen um die Augen gähnend das Parlament.

Die Finanzminister der Euro-Staaten haben die Kreditbedingungen akzeptiert

Besonders hart traf es Finanzminister Euklid Tsakalotos. Für ihn hatte der Mammuteinsatz schon am Donnerstagmorgen begonnen. Er musste das neue Hilfs- und Sparprogramm erst dem Finanzausschuss des Parlaments und danach dem Plenum erläutern. Und auch nach der Abstimmung am Morgen war für ihn noch kein Ende in Sicht. Mit dem klaren Ja des Parlaments in der Tasche musste sich der griechische Finanzminister auf den Weg nach Brüssel zur Sitzung der Euro-Gruppe machen.

Dort akzeptierten die Finanzminister der Euro-Staaten am Freitagabend die zuvor von Experten ausgehandelten Bedingungen für die geplanten Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro. Nun müssen nur noch der Deutsche Bundestag und einige andere nationale Parlamente das Hilfsprogramm billigen. Eine Ablehnung dort gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Auf Expertenebene hatten sich Griechenland und seine Geldgeber bereits in der Nacht zum Dienstag auf einen grundsätzlichen Rahmen für das mittlerweile dritte Hilfsprogramm verständigt. Er sieht vor, dass die neuen Kredite nur gegen weitreichende Reform- und Sparzusagen ausgezahlt werden. Dies sind zum Beispiel Steuererhöhungen und Änderungen am Rentensystem.

Sollten der Bundestag und die anderen Parlamente Anfang der nächsten Woche wie erwartet zustimmen, könnte Griechenland am kommenden Donnerstag fällige Schulden in Höhe von 3,4 Milliarden Euro mit Mitteln aus dem neuen Hilfsprogramm begleichen. Gibt es doch noch unerwartete Hindernisse, müsste eine weiterer Überbrückungskredit her.

Bei den Schulden geht es um 3,4 Milliarden Euro, die Athen für auslaufende Anleihen und Zinsen an die Europäische Zentralbank (EZB) zahlen muss. Sollte die Rückzahlung ausbleiben, müsste die EZB dem Land eigentlich den Geldhahn zudrehen, was den Zusammenbruch der Wirtschaft zur Folge haben könnte.

Seite 2 Leitartikel: Fantasie gefragt