Hilden/Erfurt. Gesundheitsminister arbeitet still und effizient den Koalitionsvertrag ab

Hermann Gröhe hat sich einen Laborkittel und blaue Handschuhe übergezogen. Jetzt drückt er auf die Stelle des kleinen Bildschirms, an der „Start“ steht. Die Maschine setzt sich in Bewegung, sie hebt Pipetten von links nach rechts, schwenkt sie herum und setzt sie ab – alles millimetergenau und wie von Geisterhand gesteuert. Das Gerät beginnt eine vollautomatische Untersuchung einer Probe auf Krankenhauskeime. In gut zwei Stunden sind die Ergebnisse digital verfügbar. Gröhe ist beeindruckt. Und die Manager der Analysefirma Qiagen sind stolz, dem Bundesgesundheitsminister ihr „Flaggschiff“ der Molekulardiagnostik zeigen zu können.

Das Hightech-Labor in Hilden bei Düsseldorf ist die letzte Station auf einer zweieinhalbtägigen Reise, die Gröhe von Berlin aus quer durch die Republik geführt hat. Hoch spezialisierte Kliniken und medizinische Spitzenforschung hat er sich angesehen, aber auch eine Sportgruppe von Mi­granten und eine Einrichtung, die sich der medizinischen Versorgung von behinderten Menschen verschrieben hat – die ganze Bandbreite, mit der ein Gesundheitsminister zu tun hat. Und das in der Woche, in der er sein, wie er selbst sagt, wichtigstes Projekt vorangetrieben hat: eine umfassende Pflegereform. Die erste Hürde, den Beschluss im Bundeskabinett, hat das milliardenteure Gesetz am Mittwoch genommen.

Hermann Gröhe, 54 Jahre alt, gehört zu den Bundesministern, die schon auf der Hälfte der Wahlperiode eine beachtliche Bilanz vorweisen können. Gesetze für die ambulante Versorgung und zur Neuordnung der Krankenhauslandschaft hat er auf den Weg gebracht, ebenso zur Vorsorge und zur Palliativversorgung. Sogar die seit zehn Jahren überfällige elektronische Gesundheitskarte soll 2016 kommen.

Still, effizient und mit Detailkenntnis arbeitet der ehemalige CDU-Generalsekretär die Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag ab. Das von Interessen so hart umkämpfte Feld der Gesundheitspolitik beackert er in fast stoischer Ruhe. Die gute Konjunktur hilft ihm dabei, die Krankenkassen haben gerade keine Geldsorgen.

Konflikte zwischen den Gesundheitspolitikern der Großen Koalition moderiert Gröhe scheinbar mühelos weg, so erspart er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) viel Ärger. „Ist doch gut, wenn mich am Ende der Wahlperiode mehr Menschen kennen als zu Beginn“, sagt er bescheiden. „So eitel bin ich dann doch.“

Eitelkeit? Das ist – ähnlich wie bei Merkel – nichts, das man mit Gröhe in Verbindung bringt. Als er auf seiner Reise in Erfurt die Studios besucht, in der die Arztserie „In aller Freundschaft“ entsteht, will er sich keine Schnittwunde auf den Arm schminken lassen, das muss die örtliche Bundestagsabgeordnete übernehmen. Einen Gastauftritt in der Serie kommt schon gar nicht infrage, jedenfalls „nicht als Arzt“, wehrt er ab. Auch bei der Präsentation des Laborgeräts in Hilden hält Gröhe sich zurück, lässt vor allem andere fragen. Die Tragweite der Technologie, die die Diagnosefirma anbietet, ist ihm aber völlig klar: „Wir stehen vor revolutionären Veränderungen in der Medizin“, sagt Gröhe. Bessere Analyse- und Behandlungsmethoden hätten Vorteile, aber auch ungewollte Nebenwirkungen. „In einer freiheitlichen Gesellschaft kann es kein Verbot geben, immer mehr zu wissen“, weiß Gröhe. Niemand dürfe „angstbesetzte Fortschrittsverweigerung“ betreiben. Die neuen Möglichkeiten, etwa ungeborene Kinder auf Gendefekte untersuchen zu lassen, sieht der bekennende Christ aber durchaus kritisch: „Ich will keine Selektion.“ Auch wenn sich schwere Krankheiten künftig vermeiden ließen, müsse die Gesellschaft solidarisch mit allen Kranken sein.

Dazu gehört für Gröhe, dass Spitzenmedizin bezahlbar bleiben muss – für alle. Anders als viele seiner Vorgänger steht Gröhe unter geringem finanziellen Druck. Aber auch er kann nicht alles bezahlen, was medizinisch möglich ist. „Spezialpräparate können wir uns nur leisten, wenn wir bei der Standardversorgung die preiswerteste Variante wählen“, sagt er.

In den Koalitionsverhandlungen hat die CDU den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung festschreiben lassen. Im nächsten Jahr, wenn viele Kassen ihre Zusatzbeiträge anheben müssen, werden deshalb nur Arbeitnehmer zur Kasse gebeten. Gröhe macht aber deutlich: „Wir haben die Verantwortung, den Arbeitnehmerbeitrag nicht durch die Decke gehen zu lassen.“ Soll heißen: Irgendwann wird auch der Arbeitgeberbeitrag steigen.

Wann das sein wird? Da schweigt der Minister.