Athen. Wegen der chaotischen Zustände auf der griechischen Insel Kos greift die Regierung nun ein

Nach dramatischen Tagen auf der griechischen Insel Kos sind zunächst 1300 Flüchtlinge an Bord einer Fähre nach Athen gebracht worden. Die Mi­granten sagten am Donnerstag nach ihrer Ankunft in der griechischen Hauptstadt im Fernsehen, sie wollten weiter nach Westeuropa reisen. Nach Angaben der Küstenwache wurden im Tagesverlauf noch weitere 600 Flüchtlinge von mehreren anderen Inseln der Ägäis erwartet. Auch sie waren demnach mit regulären Fähren unterwegs, die zwischen Piräus und den Inseln der Ostägäis fahren.

Die Regierung in Athen hatte zudem angekündigt, eine Fähre als Notunterkunft für Flüchtlinge zur Insel Kos schicken zu wollen, um die dramatische Versorgungslage zu verbessern. Die Fähre „Eleftherios Venizelos“ wurde am Morgen im Hafen von Piräus mit Proviant beladen und sollte am Abend nach Kos auslaufen, wie das griechische Fernsehen berichtete. Dort sollen am Freitagmorgen etwa 2500 Migranten aufgenommen, versorgt und zudem regis­triert werden. Auf der Ferieninsel Kos waren in den vergangenen Tagen nach offiziellen Angaben mehr als 7000 Mi­granten angekommen. Humanitäre Organisationen bezeichneten die Lage als chaotisch, es kam auch zu Ausschreitungen. Ähnlich ist die Situation auch auf anderen Inseln der Ostägäis, etwa auf Samos, Lesbos und Chios.

Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen, die mit Helfern auf Kos im Einsatz ist, hatten etwa 2000 Menschen am Mittwoch bei drückender Hitze in einem Stadion ausharren müssen, um für ihre Weiterreise registriert zu werden. „Sie waren eingeschlossen, ohne jeden Schutz vor der Sonne, hatten kaum Zugang zu Toiletten, kaum Wasser oder Nahrung“, teilte Ärzte ohne Grenzen mit. Die Polizei sei zudem sehr hart gegen die Menschen vorgegangen, habe auch Tränengas und eine Blendgranate eingesetzt. Dies habe innerhalb des Stadions Panik ausgelöst. Insgesamt 62 Menschen seien medizinisch betreut worden, vier davon mussten ins Krankenhaus gebracht werden, wie es heißt. Nach einem Bericht der griechischen Zeitung „Kathimerini“ setzte die Polizei auch Schlagstöcke und Feuerlöscher gegen die fliehenden Menschen ein.

„Obwohl Ärzte ohne Grenzen dankbar ist, dass die Situation mehr unter Kontrolle zu sein scheint, sind wir geschockt und entsetzt über die exzessive Gewalt der Polizei und die unverantwortliche Art der Behörden auf Kos angesichts der Flüchtlingssituation in den vergangenen drei Tagen“, sagte Constance Thiesen von der Hilfsorganisation. Nach Angaben des Hilfswerks dauert es rund zehn bis 15 Tage, bis die Flüchtlinge von der griechischen Polizei registriert werden und die Papiere erhalten, mit denen sie die Insel verlassen können. Kaum einer werde über diesen Prozess informiert, beklagte das Hilfswerk.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth zeigte sich entsetzt über die Lage auf der Insel. Dort herrsche das „totale Chaos“, sagte Roth dem rbb-Inforadio. „Es kommen jeden Tag ungefähr 700 bis 1000 Menschen an. Sie bekommen keine Erstaufnahme, keine Basis-Notversorgung wie trockene Kleidung oder eine menschenwürdige Unterkunft. Sie bekommen gar nichts“, kritisierte die Grünen-Politikerin, die selbst nach Kos gereist war. Roth sieht die Verantwortung vor allem bei den lokalen Behörden. Der Bürgermeister von Kos verweigere die Koordination, und die griechische Regierung sei nicht präsent. Die Finanzkrise in Griechenland sei keine Entschuldigung dafür.

So hat etwa die Türkei nach Angaben des Innenministeriums inzwischen fast zwei Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Davon hielten sich 262.134 in Flüchtlingslagern auf. Die Türkei hat mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als jedes andere Land. Viele Flüchtlinge nutzen die Türkei außerdem als Transitland, um in die EU zu gelangen.

Im Irak sind nach Angaben von Malteser International derzeit über drei Millionen Menschen auf der Flucht. Die Organisation plant daher eine Ausweitung der mobilen medizinischen Hilfe. Auch die Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte zuletzt von 3,1 Millionen Binnenflüchtlingen im Irak gesprochen.

Während anderenorts die Flüchtlingshilfe ausgebaut wird, liegt der im April vom Hamburger Hafen aus gestartete deutsche Fischkutter „Sea-Watch“ derzeit mit einem Motorschaden im Hafen von Lampedusa fest. Die Besatzung ist im Mittelmeer zur Rettung von Flüchtlingen unterwegs. Vor einer Woche musste die vierte Crew aus ehrenamtlichen Rettern von ihrem Einsatz zurückkehren. Während die Techniker mit eigens angereister Unterstützung an der Reparatur arbeiten, versuche das Landteam ein Ersatzschiff zu finden. Das sei jedoch bisher nicht gelungen, da dieses nicht nur für acht bis neun Personen Platz bieten muss, sondern auch Raum und Befestigungsmöglichkeiten für die 300 Kilo schweren Rettungsinseln.