Berlin. Entsorgungsprogramm schließt Export des Atommülls ins Ausland aus. Asse-Müll soll nicht in den Schacht Konrad

So schnell war in Deutschland wohl noch nie ein Protest gegen die Atommüll-Lagerung von Erfolg gekrönt: Als im November 2014 Pläne der Bundesregierung bekannt wurden, im künftigen und bislang einzig genehmigten Endlager Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter womöglich auch die Atomabfälle aus dem nahe gelegenen Bergwerk Asse zu deponieren, brach in der Region ein Sturm der Entrüstung los. Ein breites Bündnis reichte bei Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) 70.000 Unterschriften ein, es gab Demonstrationen und Proteste auch in Berlin: Die Bürger wehrten sich gegen die für den Asse-Müll notwendige Erweiterung des noch gar nicht in Betrieb genommenen Endlagers Konrad.

Wenige Monate später lenkt die Regierung ein: Im endgültigen nationalen Entsorgungsprogramm, das das Kabinett gestern beschloss, ist der umstrittene Konrad-Plan weitgehend entsorgt – stattdessen wird der Transport der Asse-Abfälle (und von Abfällen aus der Urananreicherung aus dem westfälischen Gronau) in ein späteres Endlager für hochradioaktiven Atommüll der klare Vorzug gegeben. „Wir haben die Bedenken ernst genommen“, sagte Hendricks. Die mögliche Erweiterung des Endlagers in Salzgitter, das im nächsten Jahrzehnt schwach- und mittelradioaktiven Atommüll aus Medizin, Forschung und vor allem aus dem Akw-Abriss aufnehmen soll, habe bei den Bürgern Vertrauen in die Sicherheit des gesamten, dringend benötigten Projekts infrage gestellt, beklagt Hendricks. Längst wird in der Region gefordert, Schacht Konrad noch einmal komplett auf den Prüfstand zu stellen, was die Ministerin allerdings ablehnt. „Das Endlager entspricht dem Stand von Wissenschaft und Technik, es ist genehmigt und planfestgestellt“, sagt die Ministerin dem Abendblatt.

Aber: „Mein klarer Wunsch ist, dass wir keine zusätzlichen Mengen in Schacht Konrad einlagern.“ Denn das hätte zu Komplikationen geführt, für das Endlager wäre ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig geworden. Die Vielzahl der kritischen Meldungen zu den jetzt korrigierten Konrad-Plänen lasse erahnen, vor welchen Aufgaben die Politik bei der Endlagerung noch stehe, sagte die SPD-Politikerin. Mit dem Entsorgungsprogramm beschreibt die Regierung noch nicht die komplette Lösung, vielmehr sind – in Übereinstimmung mit EU-Richtlinien – die prognostizierten Abfallmengen aufgelistet und als Konsequenz wichtige Grundsätze festgezurrt: Ein Export des deutschen Atommülls irgendwo ins Ausland wird weiter ausgeschlossen, von Brennelementen für Forschungsreaktoren abgesehen.

Grundsatz zwei: Für den Atommüll sind weiter zwei Endlager geplant, auch wenn Experten in früheren Jahren das Ein-Deponie-Modell befürworteten. In das längst genehmigte Projekt Schacht Konrad kommen schwachradioaktive Abfälle, genehmigt sind 300.000 Kubikmeter. Hendricks hofft, dass der Betrieb in Salzgitter nach vielen Verzögerungen im Jahr 2022 starten kann, 40 Jahre später soll wieder Schluss sein.

Der Standort für das Endlager für hochradioaktiven Atommüll dagegen wird erst frühestens im Jahr 2031 festgelegt – neun Jahre, nachdem das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gegangen sein wird. Die Hinterlassenschaften der Atomkraftnutzung werden das Land dann noch viele Jahrzehnte beschäftigen: Frühestens im Jahr 2050 wird dieses Endlager in Betrieb genommen werden können, räumte Hendricks ein. Bis die mehr als 1100 Castorbehälter mit Brennelementen und rund 800 weitere Container mit hochradioaktiven Abfällen alle unter Tage deponiert sind, wird es wohl bis zum Jahr 2100 dauern. Allein in den möglichen Standort Gorleben sind bereits 1,8 Milliarden Euro investiert worden, die Suche nach weiteren potenziellen Standorten wird zusätzliche Milliarden kosten – finanziert von den großen Energiekonzernen. Die beteiligen sich auch an den Kosten für Errichtung und Betrieb von Schacht Konrad, dieses Vorhaben dürfte bis zur Stilllegung nach erstmals vorgelegten Regierungsschätzungen 7,5 Milliarden Euro teuer werden.

Stillegung der Asse kostetvoraussichtlich fünf Milliarden Euro

Die Schließung des maroden Atomlagers Asse wird ausschließlich der Steuerzahler finanzieren müssen, nach den neuen Angaben wird mit rund fünf Milliarden Euro gerechnet. Ob aus der Asse wirklich jemals die 200.000 Kubikmeter Atomabfälle geborgen werden können, ist weiterhin offen, frühestens 2033 könnte es losgehen, wie Hendricks sagte. Im Entsorgungsprogramm bekräftigt die Regierung aber das Ziel der Rückholung und legt fest, dass die Deponierung dieses Mülls bei der Standortsuche für das Endlager für hochradioaktiven Atommüll berücksichtigt werden soll; gleiches gilt für bis zu 100.000 Kubikmeter Uranabfall aus Gronau. Technisch sei das kein Problem, es werde nur mehr Platz gebraucht.