Washington. Der gewaltsame Tod von Michael Brown in Ferguson traumatisierte vor einem Jahr das Land. Viel geändert hat sich seitdem noch nicht

Christian Taylor war ein verheißungsvoller Football-Spieler. Bis er am Sonnabend in Arlington/Texas aus noch ungeklärter Ursache mit seinem Wagen in das Schaufenster eines Buick-Händlers krachte. Die anschließende Begegnung mit dem noch in der Ausbildung steckenden Polizisten Brad Miller überlebte der unbewaffnete 19-jährige Afroamerikaner nach Schüssen in Brust, Bauch und Hals nicht.

Taylors Ende lag gestern 1000 Kilometer nordöstlich von Arlington wie ein Schatten über dem historischen Trauermarsch, zu dem Hunderte nach Ferguson/Missouri gekommen waren. In der Kleinstadt bei St. Louis war am 9. August 2014 der ebenfalls unbewaffnete 18-jährige Schwarze Michael Brown von dem weißen Polizisten Darren Wilson erschossen worden. Begründung: Notwehr. Als der für seine Nähe zur Polizei bekannte Staatsanwalt im November entschied, dass Wilson ein Prozess erspart bleibt, brachen in Ferguson und anderen Städten schwere Unruhen aus. Es war die Geburtsstunde einer neuen Bürgerrechtsbewegung, die 50 Jahre nach Ende der Rassentrennung mit dem Slogan „Black Lifes Matter“ (Schwarze Leben zählen) gegen Diskriminierung und Behördenwillkür zu Felde zieht.

Wie bei Brown, der falsch über die Straße ging, begannen auch viele der danach geschehenen Tragödien mit Nichtigkeiten. Sandra Bland in Houston blinkte beim Spurwechsel falsch. Eric Garner verkaufte in New York schwarz Zigaretten. John Crawford hantierte in einem Supermarkt in Ohio mit einem Luftgewehr. Freddie Gray in Baltimore lief vor einer Polizeistreife davon. In North Charleston wurde Walter Scott ein defektes Rücklicht zum Verhängnis. In allen Fällen waren die schwarzen Betroffenen nach Konfrontationen mit der Polizei tot.

Ferguson hat die Debatte über unverhältnismäßige Polizeigewalt gegen gesellschaftliche Minderheiten zum Dauerthema gemacht. Es vergeht keine Woche, in der Präsident Barack Obama nicht für Polizei- und Justiz-Reformen eintritt. Inzwischen haben zwei Dutzend Bundesstaaten neue Gesetze auf den Weg gebracht. Das Tragen von Körperkameras im Polizeieinsatz wird vielerorts Pflicht. Ebenso Nachschulungen, in denen Deeskalation unterrichtet wird. Dass die Polizei bei Konflikten in sozialen Brennpunkten in Kampfmontur und gepanzerten Fahrzeugen auftritt, soll der Vergangenheit angehören. „Die Deutungshoheit der Polizei über die Frage, wann Schussgewalt angemessen ist, bröckelt“, stellen Kriminologen der Georgetown-Universität in Washington fest.

Der neue Polizeichef von Ferguson ist ein Schwarzer. Auch die Position des Stadt-Managers und die eines Richters wurden mit Afroamerikanern besetzt. In der Polizeitruppe selbst ist der Fortschritt noch eine Schnecke. Fünf statt vorher drei Streifenbeamte sind Schwarze – bei einer Belegschaft von 50. Beseitigt ist dagegen das klarste Symptom der Schikanierung, der Afroamerikaner ausgesetzt waren. Das Verbot, inflationär Strafzettel gegen Schwarze zu verteilen, hat im ersten Halbjahr 2015 ein Loch von 700.000 Dollar in die Gemeindekasse gerissen.

Unterdessen wollen der Bundesstaat Missouri und Unternehmen wie Starbucks mit Ausbildungsprogrammen gegen die Perspektivlosigkeit der mehrheitlich schwarzen und oft arbeitslosen Bevölkerung vorgehen. Mit schnellen Erfolgen rechnet die demokratische Senatorin Claire McCaskill nicht: „Das wird Jahre dauern.“

Darren Wilson, der Mann, der Michael Brown erschoss, ist seinen Job los, ohne danach ins Bodenlose zu fallen. Er hat sich ein Haus gekauft. Von Spenden aus der Bevölkerung. Insgesamt 500.000 Dollar.