Berlin. Gegen rechte Hetze und für Asylbewerber bündeln Schweiger und Gabriel ihre Energie. Aber sie bekommen auch Gegenwind

Im Weinglas vor Sigmar Gabriel: nur Wasser. Til Schweiger wirkt abgekämpft in seinem grauen T-Shirt – Glamourfaktor null. Beide schauen skeptisch. „Ernste Gesichter zu einem ernsten Thema“, heißt es auf der Facebook-Seite des SPD-Chefs zu einem Foto, das ihn in einem Berliner Club neben dem Filmstar zeigt. „Wir haben Planungen für Flüchtlinge und gegen rechtsradikale Hetze besprochen. Es war ein sehr intensives und gutes Gespräch.“

Schon vor der neuen Männerfreundschaft hatten Schweiger und Gabriel einiges gemeinsam. Beide werfen sich mit Hingabe in die Schusslinie – der eine als „Tatort“-Haudrauf Nick Tschiller, der andere an der Spitze einer zum internen Kleinkrieg neigenden Volkspartei. Beide wissen Macht und Einfluss zu nutzen – als Regisseur von Kino-Kassenschlagern oder als Minister im Kabinett. Beide sind nicht gerade öffentlichkeitsscheu in eigener Sache – die Zeitungen mit den dicken Buchstaben immer fest im Blick.

„Bäm!!! Der Vizekanzler hat sich gemeldet! Und er hat sich eine halbe Stunde an seinem Feierabend meinen Frust angehört ...“ – der Eintrag auf Schweigers Seite ließ Ende Juli vermuten, dass zwei Alphatiere zueinanderfinden. Gabriel, dem einst unter dem Spitznamen „Siggi Pop“ eine Affinität zum Showgeschäft nachgesagt wurde, äußerte sich lobend via „Bild“: „Til Schweiger setzt Zeichen. Und gibt in den sozialen Medien vielen eine Stimme, die sich Sorgen machen über Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache. Auf seine Art und mit seinen Worten. Deutlich und für jedermann verständlich.“ Man habe „am Telefon einen Anfang gemacht und verabredet, das Gespräch fortzusetzen. Auch um gemeinsame Wege zu finden, etwas gegen Fremdenhass und Gewalt zu tun.“ Es wird dabei nicht nur um Schweigers Auftritt gegen Neonazi-Umtriebe und anonyme Anfeindungen im Netz („Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack!“) gegangen sein, die Schweiger trafen, nachdem er zur Teilnahme an der Spendenaktion des Abendblattes für Flüchtlinge aufgerufen hatte. Sondern auch um sein neues Hilfsprojekt: ein „Vorzeige-Flüchtlingsheim“ in Osterode am Harz – ganz in der Nähe von Gabriels Geburtsort Goslar.

Beide waren laut „Bild“-Politikchef Bela Anda schon durch die SPD-Mitgliedschaft von Schweigers Vater politisch verbandelt – jetzt also auch im Kampf gegen rechts? Erwartungsgemäß feiern nicht alle das Promi-Duo. So lässt sich unter Gabriels Facebook-Fotopräsentation neben den obligatorischen Hassattacken auch mancher Spott („Zwei sehr schlechte Schauspieler“) finden. Dem Komödien-Regisseur nehmen nicht alle sein Polit-Engagement ab, viele halten ihn zuvorderst für einen Selbstdarsteller. Und das Migrations-Bundesamt (BAMF) mischt sich ein, indem es Schweiger vor Alleingängen in Osterode warnt: „Eine Unterkunft hinsetzen und dann läuft es – ganz so einfach ist es dann doch nicht“, sagt Behördenchef Manfred Schmidt über das Projekt Flüchtlingsheim der „Welt“. Schweiger müsse „gut mit den Behörden arbeiten, auf dem Gelände muss zum Beispiel auch Platz für die Dienststelle des BAMF sein. Es müssen Büros für die Wohlfahrtsverbände oder die Rückkehrberatung vorhanden sein“, fordert Schmidt. Es gebe bereits Vorzeigeunterkünfte, etwa in Ellwangen in Baden-Württemberg. „Das Gute ist, dass ein Prominenter wie Til Schweiger der Bevölkerung zeigt: Ich kümmere mich um Flüchtlinge. Das ermuntert viele, sich in dem für sie möglichen Maße einzubringen“, meint Schmidt.

Schweiger habe es als Privatmann aber bei ein paar Dingen leichter als die öffentliche Verwaltung, so müsse er bei der Suche nach einem Betreiber keine europaweite Ausschreibung starten. „Verwaltungen sind an die strikten Vergabestrukturen gebunden“, erklärt der Präsident des Bundesamts.

Gabriel hat mit seinen Aussagen zur Flüchtlingspolitik derweil Ärger in der eigenen Partei. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, bemängelt im „Spiegel“, die Vorschläge der SPD-Spitze wirkten „leider kopflos“. Adressat dieser Kritik: der Parteichef. Top-Sozialdemokraten wie Ralf Stegner und Aydan Özoguz sahen sich prompt genötigt, Gabriel zu Hilfe zu eilen.

Gestritten wird auch weiter um die Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) signalisiert Offenheit in diesem Punkt: „Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die Staaten des Westbalkans darf kein Tabuthema sein.“ Die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen könne nur erhalten werden, wenn glaubhaft daran gearbeitet werde, Verfahren zu beschleunigen, und chancenlose Asylbewerber rasch Klarheit erhielten.

Kauder will Kosovaren binneneines Monats wieder abschieben

Die Zahl der Asylbewerber aus dem Westbalkan hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Die Ablehnungsquote liegt nach Angaben des BAMF jedoch bei 99 Prozent. Zu den betroffenen Staaten gehören Albanien, Kosovo und Montenegro. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) fordert eine schnelle Rückführung von Flüchtlingen vom Balkan. „Wir sollten Menschen, die mit großer Wahrscheinlichkeit kein Asylrecht erhalten, nicht mehr weiter an die Kommunen verteilen. Sie sollten direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Wer etwa aus dem Kosovo kommt, sollte innerhalb eines Monats wieder in seine Heimat zurück.“ Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter spricht sich gegen weitere sichere Herkunftsstaaten aus. Die Einstufung Serbiens, Mazedoniens und Bosniens habe „nichts an der Zahl der Flüchtlinge von dort geändert“.