Berlin. In der Landesverrats-Affäre soll Justizminister Maas Generalbundesanwalt Range massiv unter Druck gesetzt haben

In der Landesverrats-Affäre gerät die Bundesregierung weiter in Bedrängnis: Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, sein Haus habe den entlassenen Generalbundesanwalt Harald Range massiv unter Druck gesetzt. Seine Staatssekretärin Stefanie Hubig hat demnach Range vergangene Woche nicht nur zur sofortigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Netzblogger Markus Beckedahl und Andre Meister von Netzpolitik.org aufgefordert – sie soll auch gedroht haben: „Sonst fliegen Sie raus.“ Das Justizministerium wies diese Darstellung des Magazins „Focus“ zwar zurück. Doch auch Range selbst legt jetzt nach, bezeichnet sich als „Bauernopfer“ und deutet zumindest an, dass ihm mit Entlassung gedroht worden ist.

Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verweist auf Grenzen der Pressefreiheit. „Es gibt kein Presseprivileg, sich über gesetzliche Bestimmungen hinwegzusetzen. Geheimes muss geheim bleiben“, sagte Schily der „Bild“-Zeitung. Gleichwohl hält er den Vorwurf des Landesverrats für überzogen. Laut Schily gibt es keinen Gegensatz zwischen Pressefreiheit und „richtig verstandenem Schutz des Staates“.

Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bleibt unter Druck: Er hatte sich hinter Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen gestellt, der mit einer Anzeige wegen Landesverrats die Ermittlung gegen die Netzblogger in Gang gesetzt hatte. Aber Maaßens Beteuerung, seine Anzeige habe sich gegen Unbekannt gerichtet, ist nach einem Bericht des „Spiegel“ nicht zu halten: Der Amtschef soll nicht nur explizit die beiden Blogger ins Visier genommen haben, sondern auch Bundestagsabgeordnete des geheim tagenden Vertrauensgremiums des Parlaments. Die prüfen die Etatpläne der Nachrichtendienste, berieten daher das Konzept des Verfassungsschutzes zur Internetüberwachung, das die Blogger später ins Internet stellten.

Allerdings gibt es in der Koalition auch schon Versuche der Schadensbegrenzung: Justizminister Maas prüft, ob Journalisten besser gegen solche Strafverfolgungen geschützt werden müssen. Konkret geht es um den Paragrafen zum Landesverrat, auf den sich die Anzeige bezog. Maas lässt untersuchen, ob die Vorschriften im Verhältnis zur Pressefreiheit gelockert werden müssen; Politiker von SPD und FDP regen bereits an, eine besondere Schutzklausel für Journalisten einzuführen. Kritikern ist der Landesverrats-Paragraf seit langem ein Dorn im Auge, sie sehen in ihm eine Bedrohung der Pressefreiheit, gerade auch mit Blick auf Enthüllungen in der NSA-Affäre.

Es ist ein Grundsatzstreit bei der Abwägung von Presserechten und staatlichem Geheimnisschutz. Die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit zielt auf das unzensierte Veröffentlichen von Informationen und Meinungen. Ob sich alle Netzblogger auf die Pressefreiheit berufen können, ist umstritten, für das jetzt ins Visier genommene Blog Netzpolitik.org gilt sie aber gewiss – die Betreiber unterhalten sogar eine eigene Redaktion. Deshalb hätte sie eine Anzeige nur wegen Verrat von Dienstgeheimnissen auch gar nicht getroffen. Auch dieser Verrat kann mit Freiheitsstrafe geahndet werden, doch zielt der Staat in der Praxis vornehmlich auf die Quellen in seinen eigenen Amtsstuben. Journalisten gehen in der Regel straflos aus – solange sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses beschränken, dürfen Ermittler deshalb auch ihre Diensträume nicht durchsuchen. Hätte der Verfassungsschutz jetzt nur intern nach einem Leck suchen wollen, eine Anzeige wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen hätte genügt.

Die Papiere waren als vertraulich, aber nicht als geheim eingestuft

Doch Amtschef Maaßen wählte jene Steigerung, von der auch Journalisten betroffen sind: Den Landesverrat, die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen. Denn die Pressefreiheit hat nach der Rechtsprechung zurückzutreten, wenn durch eine Veröffentlichung die Sicherheit Deutschlands ernsthaft gefährdet würde.

Dass ein solcher Verdacht nun auch die beiden Blogger trifft, wundert fast alle Experten. Die veröffentlichten Papiere waren als vertraulich, aber nicht als geheim eingestuft, ein Staatsgeheimnis ist in den Plänen nicht zu erkennen.

Der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg meint, die Blogger könnten sich „entspannt zurücklehnen“. Weil sich der Tatverdacht nicht bestätigen werde, sieht er auch keinen Bedarf für die vom Justizminister ins Gespräch gebrachte Gesetzesänderung.