Berlin.

Die Stasi hat die rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik offenbar noch viel stärker unterwandert als bislang bekannt. Nach Erkenntnissen der Stasi-Unterlagenbehörde führte das Mielke-Ministerium mindestens 42 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) unter westdeutschen Neonazis und in deren unmittelbarem Umfeld, wie die „Berliner Zeitung“ berichtet. Mit rund 30 weiteren Rechtsextremisten stand der DDR-Geheimdienst in Kontakt und bereitete ihre Anwerbung als Spitzel vor. Hinzu kamen vier weitere Informanten, die einen loseren Kontakt zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterhielten.

Die IM berichteten über Aktivitäten von gewalttätigen Nazigruppen und deren Mitgliedern in der Bundesrepublik, in Österreich und in Südtirol. Einige dieser IM seien gleichzeitig V-Leute des westdeutschen Verfassungsschutzes gewesen und konnten der Stasi so Einblick in dessen Arbeit geben. Mit Hilfe der Spitzel wollte die Stasi Anschläge gegen die innerdeutsche Grenze verhindern. Entsprechende Pläne seien in den rechtsextremen Gruppen immer wieder im Gespräch gewesen. Daneben wollte das MfS verhindern, dass die stärker werdende rechte Szene in der DDR ihre Verbindungen zu Gleichgesinnten ausbaut.

Weitere Informationen aus der bundesdeutschen Neonazi-Szene hätten zudem Westspione der für Auslandsaufklärung zuständigen Stasi-Hauptverwaltung A (HVA) geliefert. So habe ein HVA-Agent seit 1978 über die militante Wehrsportgruppe Hoffmann berichtet. Allerdings wurden die HVA-Akten im Herbst 1989 weitgehend vernichtet. Die im Stasi-Archiv noch vorhandenen Akten über die Neonazi-Spitzel könnten auch für die aktuellen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu möglichen Hinterleuten und Mittätern des Oktoberfestattentats von Belang sein, heißt es. Bei dem von einem Rechtsextremisten verübten Bombenanschlags am 26. September 1980 starben 13 Menschen und 211 wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt.