Berlin/Karlsruhe. Verfassungsschutz-Chef und Justizminister bleiben in Landesverrats-Affäre unter Druck

Nach der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range wird der Ruf nach weiteren personellen Konsequenzen lauter. FDP-Parteichef Christian Lindner spricht sich in der Affäre um Landesverratsermittlungen gegen Journalisten für einen Neustart an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz aus. Behördenchef Hans-Georg Maaßen habe den Vorwurf gegen die beiden Blogger vorangetrieben, „weil er seine Behörde nicht im Griff hat und weil er Journalisten einschüchtern wollte“, sagte Lindner. Linksparteichef Bernd Riexinger nannte eine Entlassung Maaßens im „Handelsblatt“ überfällig.

Massiv in der Kritik steht auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der Range im Streit um das Ermittlungsverfahren in den Ruhestand versetzt hatte. „Er ist für das Chaos in diesen Tagen verantwortlich“, sagte Lindner. „Hätte er berechtigte Bedenken gegenüber dem Vorwurf des Landesverrats gehabt, hätte er sich früher einschalten müssen.“ SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi verteidigte den Justizminister: „Heiko Maas hat alles richtig gemacht und sich schützend vor die Pressefreiheit gestellt.“

Die Linksfraktion im Bundestag will erreichen, dass die Mitglieder des Innenausschusses Einblick in die Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz und das den Ermittlungen zugrunde liegende Gutachten bekommen. „Die Fakten gehören auf den Tisch des Parlaments, damit sich die Abgeordneten selbst ein Bild machen können“, forderte die innenpolitische Fraktionssprecherin Ulla Jelpke.

Bundestagspräsident Norbert Lammert lehnte eine von den Grünen geforderte Sondersitzung des Rechtsausschusses in der parlamentarischen Sommerpause ab. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, sprach in der „Rheinischen Post“ von einem „ungeheuerlichen Vorgang“.

Wie das „Handelsblatt“ berichtete, kommt der Vorwurf des Landesverrats in der Anzeige gegen unbekannt nicht vor. Aber der Mitbegründer des Blogs Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, gegen den sich die späteren Ermittlungen richteten, werde bereits genannt. Die Journalisten hatten über Pläne des Verfassungsschutzes berichtet, Online-Netzwerke stärker zu überwachen. Das Ermittlungsverfahren war vielfach als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert worden.

Der CDU-Politiker Patrick Sensburg sieht bei den Geheimdiensten Defizite im Umgang mit sensiblen Informationen. „Da scheint es doch eine gewisse Zahl von Personen zu geben, die Dokumente nach außen steuern, und dem muss entgegengetreten werden“, sagte er im Deutschlandfunk. Riexinger sagte im rbb, der Verfassungsschutz versuche von einem Leck im eigenen Haus abzulenken.

Die inzwischen von Bundespräsident Joachim Gauck unterzeichnete Ruhestandsurkunde soll laut Bundespräsidialamt heute ans Justizministerium gehen. Wann sie Range ausgehändigt wird, steht nach Angaben eines Ministeriumssprechers noch nicht fest. Als Nachfolger schlägt Maas den Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank vor.

Es gibt auch Juristen, für die die Landesverrats-Affäre ein handfester Skandal ist. Doch dabei geht es ihnen weniger um die viel kritisierten Ermittlungen gegen Journalisten oder den Rauswurf Ranges. Sie treibt das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung um. So meinte der Chef des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank: „Die Arbeit der Staatsanwaltschaft wird so öffentlich diskreditiert und das Vertrauen in eine objektive Strafverfolgung beschädigt.“

Gemeint ist damit die Weisung, die Bundesjustizminister Maas erteilt haben soll. Ob es eine gab, ist zwischen Berlin und Karlsruhe umstritten. Im Laufe der Affäre trat Range am Dienstag dann vor die Presse und warf Maas mit harschen Worten politische Einflussnahme auf die Ermittlungen mittels einer Weisung vor. Demnach musste er seinen Gutachter zurückpfeifen, der die veröffentlichten Papiere als Staatsgeheimnisse eingestuft hatte.

In Berlin heißt es dagegen, es sei am vergangenen Freitag Einigkeit darüber erzielt worden, dass das Gutachten durch eine Stellungnahme des Ministeriums ersetzt werde.

Diesen Unterschied kann nicht jeder nachvollziehen: „Das Problem sehe ich nicht in der Streitfrage, ob eine ausdrückliche Weisung ergangen ist oder nicht“, sagte etwa der Richter am Bundesgerichtshof (BGH) und ehemalige Staatsanwalt Harald Reiter vom BGH-Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte. Wichtig sei doch, dass offenbar in „laufende, prozessordnungsgemäße Ermittlungen“ eingegriffen worden sei, um ein politisch gewolltes Ergebnis zu erzielen. Unbestritten ist: Im Gegensatz zu den Richtern sind Staatsanwälte Weisungen unterworfen. Sie müssen auch ihrem Vorgesetzten Berichte über ihr Tun erstatten und (An-)Weisungen umsetzen.