Berlin. Linke hält in der Landesverrats-Affäre jetzt auch Verfassungsschutzpräsident Maaßen für untragbar. Die Opposition fordert Aufklärung

Justizminister Heiko Maas hat Generalbundesanwalt Harald Range gefeuert, doch weder der SPD-Politiker noch die Bundesregierung sind die Landesverrats-Affäre damit los: Möglicherweise schon an diesem Freitag müssen sich Maas und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in einer Sondersitzung des Bundestags-Rechtsausschusses peinlichen Fragen der Opposition stellen. Grüne und Linke fordern die Sitzung, die Minister sollen Auskunft zu den Landesverrats-Ermittlungen gegen zwei Journalisten von Netzpolitik.org und zur Entlassung Ranges geben. „Maas und de Maizière müssen dringend ihre Beiträge zu der Affäre aufklären“, sagte Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn dem Abendblatt. „Sie waren seit Mai über die Vorgänge informiert und haben trotzdem lange nichts unternommen, sondern überrascht getan.“

Ranges Entlassung sei überfällig gewesen, doch stelle sich zumindest eine weitere Personalfrage, meinte Höhn: „Hans-Georg Maaßen ist als Präsident des Verfassungsschutzes untragbar geworden, der ganze Skandal geht auf seine Anzeige zurück.“ Auch die Grünen machen Druck: „Maas und de Maizière kommen nicht mit einem Bauernopfer davon“, warnte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Beide müssten ihre Rolle „beim Angriff auf die Pressefreiheit“ klären. Vom Kanzleramt verlangen die Grünen in dieser „Staatsaffäre“ ebenfalls Auskunft.

Ob es die schon am Freitag in einer Ausschuss-Sondersitzung geben wird, entscheidet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) heute; die SPD würde die brisante Erörterung gern auf die Zeit nach der Sommerpause verschieben, sie weist jede Kritik am Justizminister zurück. Doch selbst die Union sieht Klärungsbedarf: „Wir sollten nachfragen, wer wann von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wusste“, meinte der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg.

Die ungewöhnliche Entlassung des Generalbundesanwalts wird dabei auch in der Union kaum noch kritisiert, zu offenkundig hatte Range mit seiner öffentlichen Kampfansage an Maas den Rauswurf provoziert. Zudem hatte der Minister für sein Vorgehen am Montagnachmittag das Okay der Kanzlerin bekommen – ohne die Abstimmung mit ihr hätte er nach der Geschäftsordnung der Regierung die Personalentscheidung gar nicht treffen dürfen. Angela Merkel ließ folgerichtig gestern erklären, Maas habe ihre „volle Unterstützung“. Dass sie das Ermittlungsverfahren gegen die Netzjournalisten Markus Beckedahl und Andre Meister wegen der Veröffentlichung von vertraulichen Verfassungsschutz-Dokumenten skeptisch sieht, hatte die Kanzlerin bereits zuvor signalisiert.

Ob dieses Verfahren wegen Landesverrats jetzt weitergeführt wird, muss die Generalbundesanwaltschaft klären, viel spricht für eine schnelle Einstellung. Das Justizministerium betont allerdings, es werde weiter keine Weisungen an die Behörde geben. Der Vorwurf der Opposition ist ein anderer: Der Justizminister hätte wegen der Ermittlungen gegen Journalisten deutlich früher Alarm schlagen müssen, nicht erst am vergangenen Freitag, meinte etwa die Vorsitzende des Bundestags-Rechtausschusses, Renate Künast (Grüne). Schließlich war das Ministerium seit Ende Mai informiert. Es sei ein Skandal, dass Maas erst dann wirklich interveniert habe, als der Vorgang öffentlich wurde. Klärungsbedarf sieht die Opposition auch an anderer Stelle: So behauptet der geschasste Chefankläger, es habe am Montag eine Weisung des Ministeriums gegeben, einen Gutachtenauftrag zurückzuziehen, nachdem die Expertise den Landesverrats-Verdacht bestätigt hatte. Maas bleibt dabei, dass es bereits am Freitag eine gemeinsame Verabredung gab, ohne dass der Inhalt des Gutachtens bekannt gewesen sei.

Opposition will die Gutachten undden gesamten Schriftverkehr einsehen

Für den SPD-Politiker ist die Angelegenheit zwar noch nicht gefährlich, heikel ist sie schon. Amtsverständnis und Glaubwürdigkeit des Ministers stehen auf dem Prüfstand. Nicht zum ersten Mal geht es um die Frage, ob der Jurist im Regierungsalltag seinen öffentlich verkündeten Ansprüchen genügt. Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung gehörte er lange zu den Kritikern der Datensammlung, dann vollzog er über Nacht auf Druck von Vizekanzler Sigmar Gabriel eine Kehrtwende und legte einen Gesetzentwurf vor.

Kaum ein Minister hat in den ersten zwei Jahren so viele Gesetze produziert wie er. Dass er dennoch recht blass blieb, liegt auch daran, dass Maas öffentlichen Streit in Regierungsangelegenheiten bisher vermied. Viel spricht dafür, dass auch die Landesverrats-Affäre eher im Stillen geklärt werden sollte. Daraus wird nichts mehr: Die Opposition will den gesamten Schriftverkehr, die Vermerke über Gespräche und auch die Gutachten einsehen. Unangenehm kann das nicht nur für Maas, sondern auch für den Innenminister werden. Ihm ist Verfassungsschutzpräsident Maaßen unterstellt, mit dessen Strafanzeige gegen Unbekannt die Affäre ihren Anfang nahm. Während jetzt auch aus der SPD Kritik an Maaßen laut wird, bekräftigt de Maizière seine Einschätzung, dass die Anzeige nicht zu beanstanden war. Die Kanzlerin ist vorsichtiger: Ob Maaßen das volle Vertrauen Merkels habe, wollte ihre Sprecherin nicht beantworten.