Berlin. Deutsche Wirtschaftsweise fordern Regeln für Staatspleiten, sind aber gegen einen Grexit

Die „fünf Wirtschaftsweisen“ haben sich für die Möglichkeit eines Austritts von Euro-Staaten aus der Währungsunion ausgesprochen und vor übereilten Integrationsschritten gewarnt. Die Griechenland-Krise habe gezeigt, dass eine dauerhaft fehlende Kooperationsbereitschaft eines Landes an den Grundfesten rüttle. „Ein Austritt (...) aus der Währungsunion darf nicht tabuisiert werden. Ansonsten sind die Partner erpressbar“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrates, Prof. Lars Feld, am Dienstag.

Im Falle Griechenlands sei das angestrebte dritte Hilfspaket aber richtig. Ein Euro-Austritt (Grexit) sei nicht empfehlenswert, weil er vor allem für die Griechen erhebliche Nachteile hätte, sagte Feld. Ohne Reformen werde es für Athen schwierig – ob mit oder ohne weitere Schuldenerleichterungen. Wenn die griechische Wirtschaft im Zuge von Reformen anziehe, seien auch die Zinszahlungen für die Hilfskredite zu bewältigen. Die aktuellen Auflagen für Athen seien zwar härter als zuvor erwartet: „Aber ohne diese Strukturreformen wird Griechenland nicht aus der Krise herauswachsen können.“

Probleme bereiteten dem Euro-Raum auch Frankreich und Italien, die weiter zu zögerlich reformierten und konsolidierten, kritisierte Feld. Die Top-Ökonomen haben daher in einem Sondergutachten „Konsequenzen aus der Griechenland-Krise für einen stabileren Euro-Raum“ aufgezeigt:


Insolvenzverfahren:
Mit einer Insolvenzordnung würde die Nichtbeistandsklausel glaubwürdig gemacht. Der Rettungsfonds ESM sollte einen Insolvenzmechanismus schaffen, der für künftige Anpassungsprogramme eine Laufzeitverlängerung zur Bedingung macht, wenn Staatsschulden nicht tragfähig sind. Bei Überschuldung oder grobem Verstoß gegen Fiskalregeln sollte ein Hilfsprogramm des ESM nur nach einem Schuldenschnitt für private Gläubiger genehmigt werden. Ähnlich der Einbeziehung von Gläubigern bei Banken soll eine Verlustbeteiligung bei Staatspleiten möglich sein.


Euro-Austritt:
Ein dauerhaft unkooperativer Staat dürfe den Euro nicht existenziell bedrohen. Daher müsse der Austritt eines Mitgliedstaates aus der Währungsunion als Ultima Ratio möglich sein.


Integration:
Die Wirtschaftsweisen sind gegen voreilige Schritte. Die Fiskal- und Wirtschaftspolitik sollte so lange in nationaler Souveränität belassen werden, wie es in den Euro-Staaten keine ernsthafte Aussicht auf ihre Übertragung auf europäische Ebene gibt.


Staatskassen:
Fiskalregeln müssten strikt eingehalten werden: „Dies dürfte der einzige Weg sein, um das Problem der Altlast hoher Schuldenstandsquoten zu überwinden“, heißt es.


Bankenunion:
Diese sei unvollständig. Nötig sei eine eigenständige europäische Banken- oder Allfinanzaufsicht. Die Abwicklungsbehörde müsse weiterreichende Kompetenzen haben – auch für kleinere Banken. Die Risiken durch eine Konzentration von Staatsanleihen sollten bei den Eigenkapital-Vorgaben für Banken berücksichtigt werden.

Eine vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) angeregte europäische Arbeitslosenversicherung sieht der Expertenrat skeptisch: „Solange die Arbeitsmarktpolitik vollständig in Händen der Mitgliedstaaten bleibt, führt eine solche Arbeitslosenversicherung dazu, dass man dauerhaft in eine Transferunion läuft“, warnte Feld.

Aus Sicht des ZEW soll eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung helfen, „asymmetrische Konjunkturschocks abzufedern“. Solche Transfers in Krisenländer solle es aber nur bei sehr schweren Rezessionen geben und nur für die Dauer von maximal zwölf Monaten, heißt es. Zudem müssten die Empfängerländer die Hilfen zur Hälfte mitfinanzieren. Wie die „Wirtschaftsweisen“ ist auch das ZEW für eine Insolvenzordnung für die Euro-Länder. Bevor es jedoch zu einer Umschuldung im Rahmen eines Staatskonkurses kommen könne, müssten betroffene Länder ein dreijähriges Hilfsprogramm des ESM durchlaufen. Dadurch solle sichergestellt werden, dass es Hilfen nur gegen Reformen geben kann.

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist grundsätzlich bereit, langfristig Souveränitätsrechte abzugeben und einen eigenen Etat für einen europäischen Finanzminister zu schaffen. Eine Fiskalkapazität für die Eurozone ist ein Vorschlag aus dem „Fünf-Präsidenten-Bericht“ von EU-Kommission, EU-Rat, Euro-Gruppe, EZB und EU-Parlament zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Dabei geht es um mittelfristige Reformen ohne Vertragsänderungen sowie langfristige Maßnahmen, die Änderungen der EU-Verträge erfordern.