Berlin. Nach Ministerpräsident Albig gibt auch Ex-Kanzlerkandidat Steinbrück die Wahl 2017 verloren

Alles beginnt so friedlich. Er kommt mit dem Fahrrad in sein Lieblingslokal in Bonn-Bad Godesberg. „Lebensqualität und Zeitsouveränität“ habe er, da er nicht Kanzler geworden sei. Da spricht ein Mann, der mit sich im Reinen ist, scheint es. Doch dann lässt Peer Steinbrück Dampf ab. „Wenn die SPD weiter so auftritt wie derzeit, wird sie es schwer haben, über 30 Prozent zu kommen. Sie mobilisiert nicht, sie weckt keinen Enthusiasmus“, sagt der SPD-Kanzlerkandidat von 2013 der „Bild am Sonntag“.

Es ist der zweite Nackenschlag für die SPD aus den eigenen Reihen innerhalb kurzer Zeit. Am Donnerstag hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig in einem NDR-Interview gesagt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mache ihren Job „ganz ausgezeichnet“. Es sei schwer, gegen sie eine Wahl zu gewinnen. Albigs Strategie: keinen eigenen Kanzlerkandidaten aufstellen. Besser nur einen Spitzenkandidaten. Denn: Zu sagen, die SPD erwarte jetzt die absolute Mehrheit, „wäre ziemlich bescheuert“. Der SPD-Spitze passt das gar nicht. „Das war jetzt ein Beginn des Sommers mit Beiträgen, die uns nicht weiterhelfen“, sagt Ralf Stegner, stellvertretender Parteivorsitzender, dem Abendblatt. Steinbrücks Sätze sieht er so: „Immer interessant, immer kantig, aber nicht gerade mit neuen Positionen.“ Die SPD solle sich jetzt vielmehr auf die Konkurrenz mit der Union konzentrieren.

Auf den ersten Blick kritisiert Steinbrück die SPD. Zwischen den Zeilen schwingt aber immer mit: Parteichef Sigmar Gabriel ist gescheitert. Steinbrück antwortet zwar auf die Frage, ob er Gabriel das Kanzleramt zutraue: „Na sicher.“ Doch das übrige Interview liest sich dann wie eine Anklage. „Mit welcher Erzählung tritt die SPD 2017 an?“, fragt Steinbrück. „Zen­trale Zukunftsfragen“ würden nicht thematisiert. „Die SPD muss auch auf eine wirtschaftliche und kulturelle Mehrheit zielen.“ Und: „Das Abarbeiten des Koalitionsvertrages wird die SPD nicht über 30 Prozent führen.“ Steinbrück sieht viele Missstände – und für diese ist nun mal auch der Mann verantwortlich, der die Partei seit 2009 führt. Sigmar Gabriel hat es nicht leicht. SPD-Chef ist alles andere als ein einfacher Job. Angela Merkel ist seit 2000 CDU-Vorsitzende. Seit diesem Jahr hatte die SPD sechs Vorsitzende, die sich vor allem in internen Machtkämpfen verausgabten: Gerhard Schröder, Franz Müntefering, Matthias Platzeck, Kurt Beck, wieder Franz Müntefering – und schließlich Sigmar Gabriel.

Gabriel bemüht sich. Er widerstand bei den Koalitionsverhandlungen 2013 den Reizen des Außenministeriums. Auch weil er gesehen hat, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier 2009 als Kanzlerkandidat untergegangen ist. Er wählt stattdessen das Wirtschaftsministerium. Soll heißen: Wir können das – die SPD hat Wirtschaftskompetenz wie unter Schröder. Gabriel versucht die SPD in die Mitte zu rücken, weil dort die Wahlen gewonnen werden. Auf der anderen Seite macht Gabriel auch viele Fehler.

Der Stellvertreter stellt sich vor den Chef. Sigmar Gabriel habe seit 2009 viel Positives bewirkt, sagt Stegner. „Natürlich ist er jemand, an dem man sich reiben kann.“ Aber die SPD sei halt nicht wie die CDU. „Da wird gemacht, was Mutti sagt. In der SPD gilt das nicht für Vati oder für sonst jemanden.“ Diskussionen seien positiv, sagt Stegner. „Sigmar Gabriel sagt ja auch immer: ,’Ne stumme Partei ist ’ne dumme Partei‘ – und da hat er völlig recht.“