Washington. Neuer Versuch: Jetzt sollen die enormen Kosten für den Betrieb des US-Gefangenenlagers auf Kuba als Argument stechen

Der mehrheitlich in republikanischer Hand stehende Kongress in Washington bekommt zum Auftakt des Präsidentschaftswahlkampfes vom amtierenden Regierungschef eine heiße Kartoffel präsentiert: Guantánamo Bay. Wie Obama-Sprecher Josh Earnst bestätigte, sind neue Pläne für die Schließung des US-Terror-Gefangenenlagers auf Kuba „so gut wie fertig“.

Earnest verwies vor allem auf das Kostenargument: „Es muss doch für uns einen besseren Weg geben, mehr als jährlich 100 Millionen Dollar auszugeben, als dafür ein Gefängnis mit, wie ich denke, jetzt 116 Gefangenen zu betreiben“, sagte Earnest. Der nationalen Sicherheit werde zudem mehr gedient, wenn man Extremisten „nicht mehr das Rekrutierungsargument auf dem Silbertablett serviert, das der weitere Betrieb dieses Gefängnisses darstellt“, fügte er hinzu. Der Plan zur „sicheren und verantwortungsvollen“ Schließung solle nach der Fertigstellung dem Kongress zugeleitet werden.

Weitere Details nannte er nicht. Dennoch elektrisierte die Meldung das politische Washington kurz vor der Sommerpause. Obama hatte seit 2009 mehrere Anläufe unternommen, um das jährlich mit circa 100 Millionen Dollar zu Buche schlagende Gefängnis in der Karibik zu schließen. Es steht weltweit als Symbol für amerikanische Machtüberdehnung und Menschenrechtsverletzungen. Jedes Mal fuhren oppositionelle Republikaner und ein Teil der Demokraten dem Präsidenten in die Parade. Warum sollt es diesmal funktionieren?

Vor mehr als 13 Jahren beschloss die damalige US-Regierung unter Präsident George W. Bush, auf dem US-Flottenstützpunkt im Südosten Kubas, die „Schlimmsten der Schlimmen“ zu internieren, sprich: mutmaßlich an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligte Sympathisanten von Osama Bin Ladens al-Qaida.

Zwischenzeitlich saßen dort fast 800 Menschen in Haft, anfangs bei sengender Sonne in offenen Gitterkäfigen. Später wurden mehrere moderne Hochsicherheitsgefängnisse gebaut. Das Gros der Häftlinge – mehr als 500 – wurde schon zu Zeiten von George W. Bush entlassen. Gegen sie lag nichts Greifbares vor. Als Barack Obama ins Amt kam, war die Zahl auf 242 gesunken. Heute sitzen dort noch 116 Gefangene ein, die meisten seit der Stunde Null im Januar 2002.

Davon gelten 52 Männer bereits seit 2009 amtlich mehrfach geprüft als unschuldig und abschiebungsfähig in Heimat- oder Drittländer. Zehn Inhaftierte, darunter die mutmaßlichen Drahtzieher der verheerende Anschläge von New York und Washington um Khalid Scheich Mohammed, stecken seit über drei Jahren in langwierigen Vorverfahren eines Militärtribunals fest, das nicht vom Fleck kommt. Die übrigen 54 Personen werden von den USA vereinzelt als weitere Prozesskandidaten für das Militärtribunal eingestuft. Der größere Teil gilt als zu gefährlich für eine Freilassung. Vor Gericht stellen will man sie aus Sorge vor Bekanntwerden hässlicher Details (Folter, verbotene Verhörmethoden etc.) aber auch nicht.

Dreh- und Angelpunkt für das Gelingen des von Obama bereits 2008 im Wahlkampf geäußerten Schließungsplans ist die Suche nach Drittländern, die sich der 52 „Unschuldigen“ annehmen. Weil mehr als 40 von ihnen aus dem für den islamischen Terrorismus stark anfälligen Jemen stammen, hält die Regierung in Washington eine Abschiebung dorthin für nicht zumutbar. Zu groß sei das Risiko, dass ein Teil der Männer, die im 14. Jahr ohne rechtsstaatliches Verfahren festgehalten werden, wieder zu den Waffen greifen würde, heißt es aus dem Umfeld von Verteidigungsminister Ashton Carter, der kein Freund einer Schließung von Guantánamo ist.

Als neuen „Makler“ hat das Außenministerium den New Yorker Rechtsanwalt Lee Wolosky angestellt. Als Nachfolger von Clifford Sloan und Dan Fried, die zusammen rund 120 Freilassungen erreichten, soll der 46-Jährige weltweit neue Adressen für die als unbedenklich geltenden „Gitmo“-Häftlinge finden. Obamas Kalkül: Kann die Gefängnisbelegschaft auf einen Schlag auf cirva 50 gesenkt werden, ist das Missverhältnis von Inhaftierten und mehr als 2000 Soldaten, die dort heute für den Gefängnisbetrieb eingesetzt sind, dem amerikanischen Steuerzahler nicht mehr zu vermitteln.

Konservative wollen keine Terroristen auf amerikanischem Boden sehen

„Der Druck auf die Republikaner, sich nicht länger einer Überstellung des verbleibenden Rests in Gefängnisse auf dem amerikanischen Festland und einer Aburteilung vor zivilen Bundesgerichten zu verweigern, würde zu groß“, beschrieb bereits zu Jahresbeginn ein Regierungsoffizieller die Hoffnung des Weißen Hauses. Zumal Obama mit Senator John McCain einen einflussreichen Republikaner als Fürsprecher für die Schließung von Guantánamo hat. Allerdings steht der Kriegsveteran aus Arizona noch allein bei dem Versuch, in diesen Tagen einen Gesetzentwurf durch den Senat zu bringen, der Obama in Sachen Gefängnisschließung erstmals die Fesseln lockern würde. Konservative Mehrheitsführer wie John Boehner (Repräsentantenhaus) halten es für ein Unding, dass „Obama gefährliche Terroristen auf amerikanischen Boden bringen will“. Er kündigte erbitterten Widerstand gegen jeden Versuch an, Guantánamo als Gefangenenlager aufzugeben.