Athen. Wieder billigt das griechische Parlament schmerzhafte Reformauflagen. Wieder gehen Alexis Tsipras Dutzende Parteifreunde von der Stange

Nach der Annahme des vorerst letzten Reformpakets durch das griechische Parlament bereitet sich die Regierung in Athen auf rasche Verhandlungen über neue Milliardenhilfen vor. Medienberichten zufolge wurden die Finanzkontrolleure der Geldgeber-Institutionen bereits heute zu Gesprächen in Athen erwartet. Im Raum steht ein drittes Hilfsprogramm, das bis zu 86 Milliarden Euro umfassen und sich über drei Jahre erstrecken soll. Der Parlamentsbeschluss zur Reform des griechischen Justiz- und Bankenwesens war eine Vorbedingung dafür.

Die griechischen Volksvertreter hatten das zweite Reformpaket innerhalb einer Woche am frühen Donnerstagmorgen gebilligt, wobei die Regierungsmehrheit auch diesmal verfehlt wurde. Von den 300 Abgeordneten stimmten 230 mit Ja, im Regierungslager gab es 36 Abweichler.

Die Änderungen im Justizwesen zielen vor allem auf beschleunigte Gerichtsverfahren und neue Regeln für Immobilienbesitzer. So sollen Kreditnehmer künftig ihre Wohnungen verlieren können, wenn sie mit Zins- und Tilgungsraten an die Banken in Verzug geraten. Das neue Bankengesetz wiederum soll Spareinlagen bis 100.000 Euro absichern. Wer höhere Einlagen besitzt, soll ebenso wie Aktionäre an den Kosten zur Sanierung maroder Banken beteiligt werden.

Lob für die Athener Beschlüsse gab es aus Berlin und Brüssel. „Das ist ein weiterer wichtiger Schritt des griechischen Parlaments“, erklärte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Eine Sprecherin der EU-Kommission attestierte Griechenlands Regierung, ihre Zusagen in einer „zeitgerechten und überaus zufriedenstellenden Art“ umzusetzen. Die Verhandlungen über eine Vereinbarung für das dritte Hilfspaket könnten nun rasch vorankommen.

Finanzminister Euklid Tsakalotos hatte schon vor dem Parlamentsvotum Gespräche mit den Gläubigern von Freitag an in Aussicht gestellt. Zur bisherigen Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds wird dabei aller Voraussicht nach auch der Euro-Rettungsfonds ESM stoßen, aus dessen Finanzierungstopf der größte Teil der neuen Milliardenhilfen nach Griechenland fließen soll.

Laut Tsakalotos muss eine Einigung bis spätestens 20. August stehen. Dann muss Griechenland knapp 3,2 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Griechenland ist mit gut 300 Milliarden Euro verschuldet und hat immer noch die EU-weit höchste Staatsschuldenquote, auch wenn diese zuletzt etwas gesunken ist. Bis zuletzt hatte Ministerpräsident Alexis Tsipras darum gekämpft, den linken Flügel seiner Syriza-Bewegung auf Linie zu bringen. Trotzdem war seine Koalition mit den Rechtspopulisten (Anel) auch diesmal auf die Stimmen der Opposition angewiesen.

Besonders der linke Syriza-Flügel hatte vehement gegen die Reformen protestiert. „Der Spalt ist klar sichtbar“, sagte Regierungssprecherin Olga Gerovasili nach dem Votum. Schwacher Trost für Tsipras: Diesmal waren es drei Abweichler weniger als bei der Abstimmung zur Billigung von Sparmaßnahmen in der vergangenen Woche. Unter ihnen war auch Ex-Finanzminister Giannis Varoufakis, der vergangene Woche noch mit Nein und jetzt mit Ja stimmte. Er wolle Tsipras in diesen schwierigen Zeiten helfen, obwohl er nicht an eine Erfolg des aktuellen Spar- und Reformprogramms glaube, sagte er griechischen Medien.

Die Athener Zeitung „Ta Nea“ nennt die Abweichler „Drachmisten“. Es sei der linke Flügel der Syriza-Partei, der mit dem Austritt aus der Euro-Zone und der Rückkehr zur alten Währung Drachme liebäugele. Tsipras hat während der Debatte erneut klargestellt: Zunächst werde er sich um eine Einigung mit den Gläubigern kümmern und eine solide Basis für Griechenlands Zukunft schaffen. Erst danach werde das innerparteiliche Problem angegangen, auch wenn er vorläufig eine von der Opposition nur geduldete Minderheitsregierung führen muss. Die „Bastion“ der linken Regierung werde er „nicht freiwillig“ räumen.

Im Herbst könnte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen

Der innerparteiliche Kampf wird für Tsipras nicht leicht sein. Der Anführer des Linksflügels, Panagiotis Lafazanis, taktiert geschickt. Meinungsverschiedenheiten stärken die Partei, sagte er nach dem Votum. Er bleibe in der Partei, obwohl er das Reform- und Sparprogramm nicht mittrage. Die Abweichler nehmen für sich in Anspruch, sie seien diejenigen, die den Zielen der Partei treu blieben. Tsipras hingegen habe die Grundpositionen der Partei aufgegeben und ein volksfeindliches Sparprogramm akzeptiert.

Insider sehen jetzt zwei Möglichkeiten für Tsipras: entweder vorgezogene Wahlen im Herbst anzusetzen oder aber einen Sonderparteitag einzuberufen. Ob es zur Spaltung davor oder danach kommt, kann bisher niemand sicher sagen. Die Boulevardzeitung „Ethnos“ kommentierte, die „Plattform einer Scheidung“ (der beiden Syriza-Flügel) sei bereits geschaffen. Die Opposition beobachtet die Entwicklungen mit Argusaugen und bleibt in Alarmbereitschaft. „Auch für Wahlen“, sagte ein Funktionär der konservativen Partei Nea Dimokratia (ND).