Berlin. Der Wirtschaftsminister war der erste westliche Spitzenpolitiker, der Teheran nach dem Atomabkommen besuchte

Eigentlich geht es um die Kraft des deutschen Mittelstandes. Um Steuererleichterungen, Innovationskraft, weniger Bürokratie. Wichtige Themen für den Bundeswirtschaftsminister. Er hält ein Heft mit der Überschrift „Aktionsprogramm Zukunft Mittelstand“ in den Händen, auf dem ein roter Pfeil nach oben zeigt. Doch die Journalisten wollen etwas anderes wissen. Sie fragen sofort nach seiner Reise. Und er muss sich mal wieder verteidigen.

Überraschen kann ihn das nicht. Ein bisschen unwillig reagiert Sigmar Gabriel trotzdem in der Bundespressekonferenz. Er sagt Sätze wie: „Das, glaube ich, ist sinnvoll.“ Knappe Antwort zu einem heiklen Thema. Es geht wieder einmal um das, was dem SPD-Chef schon früher angekreidet wurde – und in letzter Zeit wieder häufiger unterstellt wird: Er sei ein Mann mit herausragenden politischen Instinkten, doch oft zu schnell, zu sprunghaft, zu unüberlegt.

Diesmal also Iran. Sigmar Gabriel war der erste westliche Spitzenpolitiker, der Teheran nach dem Atomabkommen besuchte. Nur sechs Tage nach dem historischen Durchbruch flog der Bundeswirtschaftsminister am Sonntag nach Teheran. Gabriel hatte natürlich eine Delegation dabei. Er führte Gespräche, besuchte einen Basar in der Stadt Isfahan. Es ging nicht um konkrete Geschäfte. Vielmehr um ein erstes Vorfühlen. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), war mit Gabriel nach Teheran geflogen. Er sagte dem Abendblatt am Montag bei einem Telefon-Interview: „Das Interesse und auch der Bedarf an deutschen Gütern ist sehr hoch.“ Schweitzer rechnet mittelfristig mit einer Verdoppelung des Handelsvolumens auf zehn Milliarden Euro.

Für die schnelle Reise gab es viel Kritik. Der Vorwurf: Gabriel denke nur an das Geld, es gehe ihm ums Geschäft mit dem ölreichen Land – nicht um die Feindschaft des Iran zu Israel oder um ein Umsetzen des Atomabkommens. „Zu spät kommen ist blöd; zu früh fliegen ist manchmal viel blöder“, kommentierte die Süddeutsche Zeitung. „Unter Rohani sind mehr Menschen exekutiert worden als unter Ahmadinedschad. Ich möchte keine Bilder mehr sehen, auf denen Menschen im Iran an deutschen Baukränen aufgehängt werden“, sagt der Berliner Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert. Und die Opposition gibt auch keine Ruhe. „Bei seiner Haltung zu Israel und seiner Menschenrechtslage kann dieses iranische Regime weder Freund noch strategischer Partner Deutschlands sein“, sagt Volker Beck von den Grünen am Donnerstag. Die Menschenrechtslage im Iran bleibe katastrophal. Zudem unterstütze Teheran Terrorgruppen wie die Hisbollah oder die Hamas. Gabriel habe mit seiner Reise eine Normalisierung der Beziehungen vorgespielt, die es so nicht gebe. Eine werteorientierte Außenpolitik für Menschenrechte und die Sicherheit Israels würden gebieten, dass wirtschaftliche Wünsche auch einmal zurücktreten müssten.

Gabriel wehrt das alles ab. Er hat da eine Formel: „Kontakt statt Konflikt“. Nach dem Motto: Es ist besser, ins Gespräch zu kommen, als sich anzuschweigen. Mit seiner Reise wolle er klarmachen, dass es sich für das Land lohnen könne, „wenn es sich auf eine friedliche Konfliktlösung einlässt“. Auch wolle er die Politiker in Teheran unterstützen, die das Atomabkommen gegen Widerstände im eigenen Land durchgesetzt hätten.

Hinzu käme: Wenn es um die Menschenrechte gehe, „ist das mit den Chinesen nicht anders“. Die Sanktionen gegen den Iran seien nur wegen der atomaren Aufrüstung verhängt worden, nicht wegen der Menschenrechtsverletzungen oder der Feindschaft zu Israel, betont Gabriel. Außerdem würden demnächst auch die Franzosen und die Italiener nach Teheran fliegen. Seine Aufgabe als Bundeswirtschaftsminister wäre es, der deutschen Wirtschaft zu helfen.

DIHK-Chef Schweitzer verteidigte Gabriels Reise als „ersten Schritt auf einem langen Weg“. Er glaubt wie der Vizekanzler, dass sich Konflikte weniger über Isolation, sondern vielmehr über Kommunikation und Handeln lösen lassen. „Sigmar Gabriel hat das uneingeschränkte Existenzrecht Israels und die Menschenrechte in allen Gesprächen, bei denen ich dabei gewesen bin, hervorgehoben“, sagt Schweitzer.

Dann geht es wieder kurz um den Mittelstand und die Erbschaftssteuer. Mit Steuererleichterungen für Risikokapitalgeber, zusätzlichen Finanzquellen, weniger Bürokratie und einer Fachkräfte-Initiative soll den Firmen neuer Schub verliehen werden.

Doch das Thema Iran ist schnell wieder da. Als Gabriel gefragt wird, warum er den Iran als „Freund“ bezeichnet habe, sagt Gabriel, das müsse man im richtigen Zusammenhang sehen. Er habe von einer „historisch freundschaftlichen Beziehung“ gesprochen, die auch damit zu tun hätte, dass Deutschland in der Gegend nie Kolonialmacht war. Die heutigen Beziehungen seien „schwer belastet“. Doch wie er es auch dreht und wendet: Sigmar Gabriel hat sich mit seiner schnellen Reise nach Teheran mehr Ärger als Beifall eingehandelt.