Berlin . Morgen entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Hebelt die Regelung Länderkompetenzen aus?

Harte Zeiten für die CSU: Erst fährt die Maut gegen die Wand, jetzt droht das Betreuungsgeld zu kippen. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet morgen über die Zukunft der umstrittenen Geldleistung für Familien, die ihre Kleinkinder nicht in die Kita geben. Eine halbe Million Eltern beziehen das einst als „Herdprämie“ geschmähte Betreuungsgeld – sie hätten künftig jeden Monat 150 Euro weniger in der Familienkasse.

In der Bundesregierung rechnen viele mit einem Aus für das auf Betreiben der CSU eingeführte Betreuungsgeld, nachdem die Karlsruher Richter deutliche Zweifel an der Prämie geäußert hatten. Hamburg als Klägerin hatte argumentiert, dass der Bund für das Betreuungsgeld gar nicht zuständig sei – unter anderem deshalb, weil es unsinnig sei, wenn der Bund jene finanziell fördere, die ein Förderangebot der Länder, wie Kitas oder Tagesmütter, nicht nutzen. Kippt das Betreuungsgeld, dann kippt es nicht wegen einer politischen Wertentscheidung, sondern weil sich der Bund hier ohne Not in die Sache der Länder eingemischt hat.

Zu Verhandlungsbeginn hatte die CSU deswegen schon mal gepoltert: Wenn der Bund nicht für das Betreuungsgeld zuständig sei, „dann muss man auch die Beteiligung des Bundes am Kita-Ausbau der Länder infrage stellen“. Doch der Vergleich hinkt: Der Kita-Ausbau soll unter anderem Chancengleichheit schaffen – eine zentrale, grundgesetzliche Aufgabe des Bundes.

Mit 900 Millionen Euro gehört das Betreuungsgeld zu den kleineren Posten im staatlichen Fördertopf für Familien, mit ideologischer Wucht aber wird seit Jahren darüber gestritten: „Fernhalteprämie“, schimpfen die Gegner und zitieren Forscher, die nachweisen, dass das Betreuungsgeld gerade Kinder aus bildungsfernen Familien vom Kita-Besuch abhält. Auch Mütter würden unnötig lange vom Arbeitsmarkt ferngehalten. „Wahlfreiheit!“ dagegen behaupten die Befürworter. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt will den Kampf gleich morgen wieder aufnehmen: Bei einem negativen Urteil aus Karlsruhe solle die Koalition nach Lösungen suchen, „Eltern weiterhin Wahlfreiheit zu ermöglichen“.

Viele Eltern nehmen die Leistung einfach mit: Wer für seine ein- und zweijährigen Kinder keine öffentlich finanzierte Kinderbetreuung bei Tagesmüttern oder Kitas in Anspruch nimmt, kann das Betreuungsgeld 22 Monate bekommen. Das tun vor allem Mütter: Zwei Jahre nach der Einführung zahlt der Staat monatlich 150 Euro für mehr als 455.000 Kinder, davon 6896 in Hamburg. Bundesweit 695.000 Kinder unter drei Jahren gingen dagegen zuletzt in Krippen, Kitas und zu öffentlich geförderten Tagesmüttern.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) macht keinen Hehl aus ihrer Ablehnung. Sollten die Richter morgen das Betreuungsgeld kippen, will sie nicht warten, bis der Finanzminister oder die Länder die Millionensumme unter sich aufteilen, sondern selbst die Hand darauf legen und mit dem Geld den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben.

CSU-Mann Paul Lehrieder, Vorsitzender im Familienausschuss des Bundestags, hat jedoch Zweifel, ob das gelingt. Ein Aus für das Betreuungsgeld könnte bedeuten, dass die 900 Millionen zurück in Wolfgang Schäubles Haushalt gehen.

Für Eltern, die heute bereits Betreuungsgeld beziehen oder gerade beantragt haben, soll es einen Bestandsschutz geben: „Ich erwarte nicht, dass Eltern das Betreuungsgeld zurückzahlen müssen. Nach meiner Einschätzung müsste es einen Vertrauensschutz geben mit einer Übergangsfrist bis mindestens Ende des Jahres“, so Lehrieder.