Washington. Heute endet nach 54 Jahren die Isolationspolitik. Beide Staaten öffnen ihre Botschaften. Große Erwartungen auf der Karibikinsel

Von wegen Weltgeschichte vollzieht sich immer nur im Schneckentempo. Im kubanisch-amerikanischen Verhältnis gibt längst der Turbo die Geschwindigkeit vor. Nur sieben Monate nach der historischen Ankündigung Barack Obamas, nach 54 Jahren ebenso teurer wie widersinniger Eindämmungspolitik etwas anderes im Umgang mit dem widerständigen Castro-Regime zu versuchen, soll heute offiziell die kubanische Flagge in Washington wieder wehen.

Mit der Wiedereröffnung der alten Botschaft, die 1961 nach der kommunistischen Revolution in ein künstliches Koma versetzt worden ist, sollte der Kalte Krieg mit Kuba endgültig vorbei sein. Diplomatische Kontakte auf Augenhöhe, wie sie ab sofort umgekehrt auch in Havanna etabliert werden, markieren das Ende einer ideologischen Zwangsfeindschaft, die Amerikas Ansehen in gesamten lateinamerikanischen Hinterhof stark beschädigt hat. Beste Amigos werden die beiden ungleichen Nachbarn darum aber noch lange nicht.

Während der amerikanische Präsident den Prozess der aus der deutsch-deutschen Vergangenheit bekannten Strategie „Wandel durch Annäherung“ zügig vorantreiben möchte, was eher früher als später im Liften der ökonomischen Käseglocke enden würde, die Kuba zur Strafe übergestülpt wurde, wollen die Obama in Feindschaft verbundenen Republikaner das Embargo nicht aufgeben. Ihre unversöhnliche Lesart geht so: Erst müssen die greisen Castros und ihr Menschenrechte wie Demokratie schleifender Einparteienstaat in Sack und Asche abdanken – dann kann man über alles reden. Maximalforderungen, die jedoch ins Leere zielen.

Aber mit ihrer Mehrheit im Kongress behalten die Konservativen das wichtigste Blockade-Instrument gegen die Entspannungspolitik von Präsident Obama in der Hand. Eine Konstellation, die Gefahren birgt. Denn auf Kuba lässt sich der neue Geist der partiellen Freiheit nicht mehr zurück in die Flasche sperren.

Amerikanische Flug- und Fährgesellschaften arbeiten fieberhaft daran, die Zuckerinsel zu erschließen. Große US-Konzerne, die beim Aufbau der fast vollständig zerrütteten kubanischen Infrastruktur Milliardengeschäfte wittern, schicken im Stundentakt Lobbyisten nach Havanna. Reiche Investoren aus dem Milieu der Exil-Kubaner in Florida warten mit Ungeduld darauf, die gefühlte Goldgräberstimmung zwischen Pinar del Rio und Santiago de Cuba in Dollar zu verwandeln. Fast 6000 Verfahren zur Regelung von Besitzansprüchen aus der Zeit vor der Revolution sind anhängig.

Schon wird Europa nervös und versucht – auch darum der Besuch von Bundesaußenminister Steinmeier in der vergangenen Woche auf Kuba – einen Fuß in die Tür zu kriegen, bevor die Claims abgesteckt sind.

All das schafft große Erwartungen in der des Wartens überdrüssigen kubanischen Bevölkerung, die mit dem Allmachts-Machtanspruch der sozialistischen Regierung kollidieren. Kommen die Reformen auf der Insel aber nicht klug moderiert in verdaulichen Schritten und spürbar zum Nutzen möglichst vieler in Gang, könnte sich ein neo-kolonialistischer Raubtierkapitalismus Bahn brechen, der nur den Eliten die Taschen füllen würde. Aus einer solchen Situation kann sich eine weitere ungünstige Dynamik entwickeln. Ein Regime, das nichts anderes gelernt hat, würde darauf womöglich mit noch mehr Repression und Gängelung antworten.

Bei aller berechtigten Freude, wenn heute die Fahnen wehen und Kuba und Amerika ihre diplomatische Sprachlosigkeit überwinden, darf man eines nicht ausblenden: Die Castros haben sich nur aus einem Grund den Kapitalismus ins Land geholt: um den Kommunismus zu retten. Ein Reformansatz, der schon andere Personen der jüngeren Geschichte bestraft hat, die am falschen Leben festhalten wollten.