Berlin. Bestürzung in Berlin über den plötzlichen Tod von Philipp Mißfelder. Betroffenheit in allen politischen Lagern

Die Nachricht vom Tod Philipp Mißfelders kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er war 35 Jahre alt und gesund. Völlig überraschend starb der Abgeordnete in der Nacht zu Montag an einer Lungenembolie.

Der Christdemokrat hinterlässt eine Frau, eine Ärztin aus Münster, und zwei kleine Töchter, 2009 und 2012 geboren. Nicht nur die CDU trauert um ihren profilierten Außenpolitiker. Die Bestürzung geht quer durch alle Parteien. Für den Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, vertrat der Abgeordnete aus Recklinghausen „eine etwas eigene, neue CDU, er zeichnete sich durch Toleranz aus“.

Mißfelder führte von 2002 bis 2014 die Junge Union (JU) und „hat sie wie kaum einer vor ihm geprägt“, würdigte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). 2008 wurde er mit 29 Jahren das damals jüngste CDU-Präsidiumsmitglied. Auf ihn traf nicht mal das Bonmot zu, das bei jungen Karrieristen in der Politik gilt – Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal –, das Studium beendete er bereits als Abgeordneter. Dem Parlament gehörte er seit 2005 an. Er studierte Geschichtswissenschaft in Berlin. Seine Magisterarbeit schrieb Mißfeder über den jüdischen Publizisten Maximilian Harden.

Der Christdemokrat war rastlos und ein „Vollblut-Politiker“ (Lammert). Auch bei zwanglosen Anlässen konnte man mit ihm am besten über Politik reden. Aber als gebürtiger Gelsenkirchener ließ er sich gern bei Schalke 04 sehen. Einmal, als das Gespräch ausnahmsweise auf den Fußball kam, nahm er sein Handy und zeigte eine App von Barcelona: „Mein Zweitverein.“

Er hat sehr gern gelesen, zumeist politische Bücher, und auch selbst viel geschrieben für Publikationen der JU. Ein Vertrauter von ihm meinte einmal, wenn Mißfelder nicht Politiker geworden wäre, hätte es ihn in den Journalismus gezogen. Wohlvertraut waren ihm die Mechanismen der Branche allemal. Sachverhalte konnte er wie wenige andere zuspitzen; ein kühl kalkulierender Provokateur. Das eine oder andere Wort tat ihm hinterher doch leid, vor allem „die Sache mit der Hüfte“. Als Jungspund hatte er kritisiert, dass 85-Jährige künstliche Hüftgelenke auf Kassenkosten bekämen. Es passt zu ihm, dass er in der Partei bald eng mit der Senioren-Union zusammengearbeitet hat.

In die Nesseln setzte er sich 2014, als er an der Geburtstagsparty für Gerhard Schröder teilnahm, mit dem er befreundet war. Noch ein anderer Schröder-Spezi feierte mit: Russlands Präsident Wladimir Putin – mitten in der Ukraine-Krise. Gysi lobte, „er brachte eigene, zum Teil erstaunlich vernünftige Ansichten in die Außenpolitik“. Die Union aber schäumte. Mißfelder geriet in Erklärungsnöte, kam aber mit einem Rüffel davon. Den Druck hielt der groß gewachsene Mann aus. Er trat robust auf. Dahinter verbarg sich eine ausgeprägte Empfindlichkeit.

Dass er zuletzt als Russland-Versteher durch die Gazetten ging, ist klischeehaft. Mißfelder hatte zu vielen Seiten und in vielen Regionen ausgezeichnete Kontakte. Unions-Fraktionschef Volker Kauder, der nach eigenen Worten „einen Freund“ verliert, würdigte die Verbundenheit mit Israel. Richtig gut vernetzt war Mißfelder in den USA, wo er sich häufig und gern aufhielt und oft vom legendären Außenminister Henry Kissinger empfangen wurde. Ein geradezu väterliches Verhältnis zu ihm hatte Altkanzler Helmut Kohl, den Mißfelder regelmäßig besuchte.

Für kurze Zeit war er Beauftragter für die transatlantischen Beziehungen. Die Aufgabe gab er relativ schnell wieder auf; auch weil er sich auf die NRW-CDU konzentrieren wollte. Seit 2014 war er der Schatzmeister des Landesverbandes. Für Mißfelders Karriere hatte der Schritt Priorität. Im Ruhrgebiet als CDU-Mann direkt gewählt zu werden ist schwer. Man muss sich auf der Liste absichern. Solange er die JU anführte, war seine Kandidatur ein Selbstläufer. Als er aber 2014 aus Altersgründen ausschied, diente das Schatzmeister-Amt als neue Machtabsicherung.

Mißfelder stand nicht auf der Förderliste von CDU-Chefin Angela Merkel. Er widerstand auch dem Angebot, Staatssekretär von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu werden. Dann wäre er in der Loyalitätspflicht gewesen – und diszipliniert. So aber konnte er in der Außen- und Sicherheitspolitik eigene Akzente setzen und sich profilieren. „Nun ist Philipp Mißfelder“, trauerte Lammert, „viel zu früh gestorben.“