Kopenhagen/Kiel . Ministerpräsident wird Kristian Thulesen Dahl wohl nicht, trotzdem dürfte der Populist künftig die Strippen ziehen

Die erste Prognose des Wahlabends war gerade eine halbe Stunde alt, als der Chef der dänischen Rechtspopulisten, Kristian Thulesen Dahl, mit breitem Grinsen vor seine Anhänger trat und „You’ll never walk alone“ ins Mikrofon schmettert. Dies sei ein Festtag für die Demokratie, sagte er. Vor allem ist er es für seine Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti). Während Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt stundenlang zitterte, konnte der 45-Jährige schon kurz nach Schließung der Wahllokale die Champagnerkorken knallen lassen.

Nie waren seine Rechtspopulisten so erfolgreich: Mit 37 Sitzen (21,1 Prozent) sind sie künftig die zweitstärkste Kraft im Parlament. Thorning-Schmidt hat die Macht verloren, obwohl ihre Sozialdemokraten mit 26,3 Prozent der Stimmen (2011: 24,8 Prozent) zulegten und mit 47 Sitzen wieder größte Partei im Folketing sind. Noch in der Wahlnacht erklärte die Ministerpräsidentin ihren Rücktritt auch als Parteichefin. „Zum Führen gehört, zum richtigen Zeitpunkt abzutreten“, sagte die 48-Jährige. Vor vier Jahren war sie als erste Frau an die Spitze des Landes gerückt. „Aber ich werde nicht die letzte sein“, sagte sie mit Tränen in den Augen. Am Freitag reichte sie bei Königin Margre­the II. ihren Rücktritt ein.

Zur Enttäuschung geriet die Parlamentswahl für den früheren dänischen Ministerpräsidenten Løkke Rasmussen. Seiner liberalen „Venstre“ verpassten die Wähler eine schmetternde Ohrfeige. Sie erhielt 19,5 Prozent der Stimmen (2011: 26,7 Prozent). Künftig muss die Partei mit 13 Mandaten weniger im „Folketing“ auskommen. Trotzdem gilt es als sicher, dass die Parteichefs Løkke Rasmussen bei der traditionell folgenden „Königinnen-Runde“ als neuen Regierungschef vorschlagen werden. Die vier Parteien des Mitte-rechts-Lagers –Liberale, Rechtspopulisten, Konservative (3,4 Prozent/6 Mandate) und liberale Allianz (7,5 Prozent/13 Mandate) – wollen den früheren Ministerpräsidenten als Regierungschef stützen. Wie eine Regierung unter seiner Führung aussehen soll, ist angesichts des überragenden Erfolgs der Dänischen Volkspartei allerdings unklar.

Diesen Erfolg erreicht haben die Rechtspopulisten unter der Führung von Kristian Thulesen Dahl nicht nur mit Rufen nach Grenzkontrollen, einem Aufnahmestopp von Flüchtlingen und „Mehr Dänemark – weniger EU“. Außerdem hatte der Lehrersohn den Dänen eine bessere Altenpflege und „ordentliche Krankenhäuser“ versprochen.

Nachdem Thulesen Dahl den Parteivorsitz 2012 übernommen hatte, gab der charismatische Familienvater der Dänischen Volkspartei einen neuen Anstrich: ein weniger scharfer Ton, dafür mehr Fokus auf sozialen Themen. Wenn Parteimitglieder allzu extreme Ansichten äußerten, wies er sie in die Schranken. Seitdem kennt seine Partei nur eine Richtung: nach oben.

Will der liberale Løkke Rasmussen die Rechtspopulisten an Bord holen, muss er ihnen große Zugeständnisse machen. Uneinig sind sich Liberale und Populisten etwa beim Thema Sozialstaat. Die DF fordert einen größeren öffentlichen Sektor, Venstre propagiert Nullwachstum.

Ein Knackpunkt dürfte die Härte in der Ausländerpolitik werden. Für eine strengere Hand gegenüber Asylbewerbern hatte Løkke Rasmussen im Wahlkampf selbst geworben. Um den Flüchtlingszustrom zu bekämpfen, kündigte er eine Asylreform an. Asylbewerber, die kriminell werden, sollen leichter ausgewiesen werden. Für das „Integrationsproblem“ soll wieder ein eigenes Ministerium zuständig sein.

Doch die Dänische Volkspartei um Thulesen Dahl geht viel weiter: Die Populisten fordern einen kompletten Asylstopp. „Dänemark ist kein Einwandererland“, meint die DF, vor allem nicht für Menschen nichtwestlicher Abstammung. Auf religiöse Minderheiten werde zu viel Rücksicht genommen. Viele Muslime dürften sich künftig weniger wohlfühlen in einem Land, in dem mehr als 20 Prozent der Einwohner für eine Partei stimmen, die meint, dass Dänemark allein „Land der Dänen“ ist.

Mit Besorgnis haben führende Politiker in Schleswig-Holstein auf den Rechtsruck bei der Parlamentswahl reagiert. Er respektiere, dass die Dänen die Kriminalität aus dem Ausland stärker bekämpfen wollen, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Permanente Kontrollen auf der gemeinsamen Grenze lehne er ab. Dies würde nicht nur das grenzüberschreitende deutsch-dänische Leben beeinträchtigen, sondern auch die Freizügigkeit in Europa zurückdrehen.

Auch SSW-Fraktionschef Lars Harms lehnt permanente Kontrollen ab. „In einem deutsch-dänischen Grenzgebiet, das auf dem besten Weg ist, seine Potenziale als gemeinsame Entwicklungsregion zu entdecken, schaffen Schlagbäume neue Barrieren, wo es schon keine mehr gab“, sagte er.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner zeigte sich „schockiert über das starke Abschneiden der Rechtspopulisten der Dansk Folkeparti, die einen klar ausländerfeindlichen Wahlkampf geführt hat“.