Elmau. Gipfel in Elmau geht mit Bekenntnissen zu Energiewende, Freihandel und Ukraine-Konflikt zu Ende

Die Greenpeace-Leute lassen sich was einfallen. Aus 2,5 Kilometer Entfernung werfen sie am frühen Morgen mit einem Projektor einen Slogan auf die Felswand des Waxen­stein: „G7: 100% Erneuerbare Energien!“ Der Berg ruft. Die Aktion stimmt auf das Thema zum Abschluss des Weltwirtschaftsgipfels am Montag in Elmau ein, den Klimaschutz.

Bis nach Mitternacht hatte Lars-Hendrik Röller die Details der Schlusserklärung ausgehandelt. Röller ist der Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), ihr Beauftragter beim G7-Gipfel in Elmau, ein Sherpa, ein politischer Bergführer. In der Abschlusserklärung brachte er unter, was der Chefin wichtig ist.

Darin nehmen sich die sieben größten Industriestaaten vor, den weltweiten Anstieg der Durchschnittstemperatur auf zwei Grad zu begrenzen. Ab 2020 sollen dafür jedes Jahr 100 Milliarden Dollar ausgegeben werden. Bis zum Ende des Jahrhunderts wollen sie aus der Kohleenergie aussteigen; und bis 2050 den Ausstieg der Treibhausgase um 40 bis 70 Prozent reduzieren. Für die Klimakonferenz im Dezember in Paris stellen sie konkrete und bindende Beiträge in Aussicht. Darauf habe gerade Frankreichs Präsident François Hollande „viel Wert“ gelegt, erzählt Merkel.

Wie man die Ziele erreicht, bleibt jedem Land überlassen. Japan, Großbritannien, Frankreich und die USA setzen etwa auf die Kernkraft. Der Atomausstieg sei „eine deutsche Entscheidung“, Merkels Alleinstellungsmerkmal. Sie hat einen Ruf zu verteidigen: als „Klimakanzlerin“. Der Titel geht auf ihren ersten Gipfel 2007 in Heiligendamm zurück. Damals war es ein hartes Stück Arbeit. Die USA waren sperrig, und der französische Präsident drohte, den Gipfel vorzeitig zu verlassen. Russlands Präsident Wladimir Putin gehörte damals dazu, auch er nicht pflegeleicht. Damals musste Merkel kämpfen und sich profilieren. In Elmau agierte sie hingegen wie eine Moderatorin. Mit dem Klimaschutz löst Merkel das Motto des Gipfels ein: „An morgen denken. Gemeinsam handeln.“ Sie glaubt, dass die G7 sich daran messen lassen können. Ein kanadisches Institut hat Versprechen früherer Gipfel überprüft und kam auf eine „Erfüllungsquote“ von 80 Prozent und für Deutschland sogar von 87 Prozent.

In Elmau hätten die G7 „sehr lange“ darüber gesprochen, welche Versprechen sie sich leisten können. Bis 2030 wollen sie die Zahl der Hungernden um 500 Millionen Menschen reduzieren. Kein Haushalt ist so weit vorfinanziert. Trotzdem legten sich die G7 fest.

Ehrgeiziger als erwartet fiel auch der Plan aus, die Versicherungen für Bauern gegen die Folgen von Klimakatastrophen zu unterstützen. Bisher profitieren 100 Millionen Bauern vor allem in Afrika davon. Sie bekommen eine Entschädigung für Ernteausfälle. Künftig soll die Zahl der Nutznießer auf 400 Millionen steigen

Wichtig sei ihr auch gewesen, die Reaktionsfähigkeit auf den Ausbruch von Seuchen wie Ebola zu verbessern, dass Arzneien gegen tropische Krankheiten entwickelt werden und die Staatengemeinschaft etwas gegen die Antibiotika-Resistenzen unternimmt. Die Antibiotika sollen beim Menschen wie in der Tiermast verschreibungspflichtig werden. Alle Gesundheitsthemen finden sich in der Erklärung wieder. Merkel hebt das hervor. Sie weiß genau, dass sie daheim an den Ergebnissen gemessen wird.

Um bessere Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern entlang globaler Lieferketten zu erreichen, ist zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation ein Fonds geplant. Auch mit Beiträgen von Unternehmen sollen darüber Schritte zur Unfallvorsorge und zur Förderung von Sicherheitsstandards finanziert werden.

Die Ökonomie, bei früheren Treffen ein Streitthema, löste keine Kontroversen aus. Merkel erklärt sich die „harmonischen Diskussionen“ in Elmau damit, dass alle G7-Staaten auf Wachstumskurs sind. Am letzten Tag war das Thema Griechenland schon abgehakt, „Der Ball ist jetzt in Athen“, hieß es lapidar. Morgen stehen in Brüssel die nächsten Gespräche an.

Merkel bekam Lob für den Tagungsort, für seine Ruhe und Abgeschiedenheit

Am Vorabend hatten sie vor allem über die Ukrainekrise geredet. Die Sanktionen werden verlängert. Es herrscht Einigkeit darüber, dass man Russland die Krim-Annexion nicht durchgehen lassen kann. Die Ukraine dürfe nicht scheitern, heißt es immer wieder. Es herrscht Konsens darüber, dass der Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann. Eine Frage der Haltung. Dazu gehört auch, dass die G7 zu schärferen Sanktionen bereit wären. Die Drohung liegt im Raum. Aber ist sie schon die ganze Strategie?

Generell hat Merkel den Gipfel jedenfalls als sehr produktiv empfunden. Sie hat auch viel Lob erfahren für den Tagungsort, seine Ruhe und Abgeschiedenheit, für Abläufe und Organisation. Dankbar wurde auch wahrgenommen, dass die großen Krawalle ausgeblieben sind. Den letzten Protestmarsch durch Garmisch-Partenkirchen sagte das Bündnis „Stop G7 Elmau“ ab, „weil wir gestern schon so viel gelaufen sind“. Jeder Ausnahmezustand hat ein Ende, auch ein G7-Gipfel. Die Bürger in Elmau oder Garmisch-Partenkirchen sind erleichtert, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auch mehr als das: Stolz. „Wir können Gipfel.“