Istanbul. Die AKP bleibt zwar die stärkste Kraft in der Türkei, verfehlt aber ihr erklärtes Wahlziel

Schwerer Rückschlag für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: Nach Auszählung fast aller Stimmen bei der Parlamentswahl am Sonntag in der Türkei stand die islamisch-konservative AKP erstmals seit zwölf Jahren vor dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit. Die AKP blieb zwar stärkste Kraft, sie kam nach Angaben des Senders CNN Türk aber nur auf 41 Prozent der Stimmen oder 259 Sitze – nach knapp 50 Prozent vor vier Jahren.

Die versammelte Opposition kommt demnach auf 291 Sitze. Erstmals überspringt die pro-kurdische HDP mit rund 12,5 Prozent die Zehnprozenthürde. Damit hat die AKP ihr Ziel verfehlt, alleine ein Präsidialsystem mit Erdogan an der Spitze einzuführen. Bei der Parlamentswahl 2011 hatte die damals noch von Erdogan geführte AKP 49,8 Prozent (327 Sitze) gewonnen. Das Ergebnis ist eine Niederlage für Erdogan, der die HDP im Wahlkampf scharf angegriffen hatte, obwohl der Präsident nach der Verfassung zur Neutralität verpflichtet ist. Die HDP war mit dem Ziel in den Wahlkampf gezogen, Erdogans Präsidialsystem zu verhindern, und hatte vor einer „Diktatur“ gewarnt.

Als Ziel hatte die von Erdogan mitgegründete AKP 330 Sitze angegeben. Das ist die erforderliche Mehrheit, um ein Referendum über eine Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems abzuhalten. Die Wahlbeteiligung lag bei 85,4 Prozent. An zweiter Stelle liegt den Teilergebnissen zufolge die Mitte-Links Partei CHP (25,2 Prozent/131 Sitze), die ihr Ergebnis von 2011 fast halten konnte. Die ultrarechte MHP legte deutlich zu und kommt mit 16,9 Prozent (84 Sitze) auf den dritten Rang. Die HDP, die bislang nur mit nominell unabhängigen Kandidaten im Parlament vertreten war, gewann 78 Sitze. Weder die AKP noch Erdogan haben erklärt, wie ein Präsidialsystem aussehen sollte. Bislang ist der Ministerpräsident Regierungschef.

Der Menschenrechtsverein IHD beklagte nach einem Bericht der Online-Zeitung „Radikal“ Unregelmäßigkeiten an verschiedenen Orten. Das Wahlkampfende war von schwerer Gewalt überschattet worden. Bei einem Sprengstoffanschlag auf eine HDP-Veranstaltung in der Kurden-Metropole Diyarbakir wurden am Freitagabend mindestens drei Menschen getötet und 220 verletzt.