Schloss Elmau. Beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau sind die Spitzenpolitiker vor allem um schöne Bilder bemüht. Doch beim Thema Griechenland könnte es ernst werden

Angela Merkel und Barack Obama gehen in die Luft. Als Ballons. Auf einem Parkplatz schräg gegenüber vom Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen blasen die Aktivisten sie gerade auf. Kanzlerin und US-Präsident nehmen Gestalt an, weitere fünf wirken noch etwas schlaff. Ein Ballon für jeden der sieben Staats- und Regierungschefs beim Weltwirtschaftsgipfel. „Liebe G7, wir wollen mehr als heiße Luft“, steht auf mehreren Spruchbändern. Man zählt etwa 15 Aktivisten – und gleich nebenan 20 Kleinbusse der Polizei. So viel zu den Erwartungen und zu den Kräfteverhältnissen bei G7.

Es bleibt nicht so harmlos. Am Bahnhof sammeln sich am frühen Sonntag die Gegner. „Wir wollen hier demonstrieren gegen G7, und das werden wir auch tun“, ruft einer aus. Etwa 300 starten einen Protestmarsch Richtung Schloss Elmau, dem Tagungsort. Einigen gelang es, die Bundesstraße B 2 zu blockieren und auch den Bahnverkehr zeitweise zu stören. Zusammenstöße hatte es bereits am Vorabend gegeben. Die Gemüter hatten sich allerdings bald abgekühlt, buchstäblich: Nach einem Unwetter stand das Camp der Demonstranten unter Wasser.

Sie suchten Schutz im Bahnhof, in der Halle lagen sie auf dem Boden, nass, entkräftet, unterkühlt. Manche treten noch am Samstag die Heimreise an. Die Staatsmacht ist auf Krawall vorbereitet. Über 20.000 Beamte sind im Einsatz, 100 Richter und 15 Staatsanwälte (und auch Strafverteidiger) halten sich bereit. 200 Haftzellen wurden in Containern aufgestellt. Sechs davon sind am Sonntag Mittag belegt. Daran erkennt man, dass die Auseinandersetzungen – von unschönen Szenen abgesehen – relativ glimpflich ausgingen. Eine ursprünglich genehmigte Mini-Demonstration von 50 Gipfelgegnern nahe dem Tagungshotel Schloss Elmau wurde aus Sicherheitsgründen vom Bayerische Verwaltungsgerichtshof wieder untersagt.

Merkel weiß vom Protest, aber nimmt ihn allenfalls als fernes Echo wahr. Die Gastgeberin bewegt sich in anderen Sphären. Das Gebiet um Schloss Elmau ist großräumig abgeriegelt. Es ist eine heile Welt, in der sie am Morgen US-Präsident Barack Obama empfängt. Spalier stehen Trachtengruppen und Gebirgsschützen. „Gruß Gott“, führt sich der Gast ein. „Ich habe meine Lederhose vergessen“, erzählt er. Beifall, Gelächter. Die Menschen sind dankbar.

Es ist ein sonniger, warmer Tag, der Himmel blau und wolkenlos. Die Menschen sitzen an langen Tischen. Obama setzt sich dazu, zieht die Jacke aus, nimmt sich eine Brezel sowie ein Weißbier und schaut zu, wie Kanzlergatte Joachim Sauer eine Weißwurst schneidet. Seine Frau produziert an diesem Vormittag Bilder. Am Anfang war nicht das Wort, nein, in Elmau waren es Bilder. Man kann die Anlässe allerdings gut auseinander halten, weil die Kanzlerin zwischendurch das Sakko wechselt: Mintgrün für Obama, später blau zur Begrüßung aller Teilnehmer und beim Gruppenfoto mit dem Amerikaner sowie den weiteren Gästen aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada. Merkel führt sie zielsicher zu einer Wiese, dahinter: Schlosshotel und Berge. Man kann es auf den Bildern kaum erkennen, aber für das Alpenpanorama-Shooting stehen sie auf einem Podest. Alles ist arrangiert, wirklich alles?

Zwei Machtfaktoren entziehen sich der Regie. Zwei Männer. Da ist Russlands Präsident Wladimir Putin. Obama nennt die Ukraine-Krise gleich in seinem ersten Statement als eines der Themen beim G7-Treffen. Und EU-Ratspräsident Donald Tusk rechtfertigt, warum Putin nicht dazu mehr dazugehört: Weil G7 eine Wertegemeinschaft sei. Die USA und Deutschland machen eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland weiterhin von der Umsetzung des Minsker Friedensplans für die Ukraine abhängig. Das erklärte das Weiße Haus nach dem Treffen Obamas mit Merkel.

Dann ist da noch der griechische Premier Alexis Tsipras, auch er abwesend. Was Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker in seinem gemütlichen Singsang-Deutsch zu berichten weiß, ist politisch brisant. Juncker verrät, dass den Griechen eine Frist gesetzt wurde: „Es wird eine Deadline geben.“ Er wolle sie nur nicht nennen, um es nicht spannender zu machen. Tsipras habe ihm eine Reaktion auf die jüngsten Auflagen der Gläubiger versprochen. Sie wurde Juncker erst für Donnerstag angekündigt, dann für Freitag in Aussicht gestellt. Aber bis gestern lag sie nicht vor. „Ich hoffe, dass die uns in Kürze zugestellt wird“, sagt Juncker. Für seine Verhältnisse ein Satz voller Ungeduld.

Am Ende erzählt er noch, dass er neulich gegenüber Tsipras zu der sozial sensiblen Frage der Mindestpensionen einige Punkte klargestellt hat, „die er dem griechischen Parlament nicht vorgetragen hat“. Im Klartext: Juncker ist befremdet und wartet auf einen Anruf; Tsipras lässt sich Zeit (die er nicht hat) und taktiert. Von diesem Gipfel ist vielleicht doch mehr zu erwarten als heiße Luft und heile Welt.

Hunderte Gegner des G7-Gipfels werden das von zu Hause aus beobachten. Sie ziehen am Sonntagabend mit Rucksack und Isomatte Richtung Bahnhof. „Achtet bei der Abreise aufeinander“, twittert das Aktionsbündnis „Stop G7 Elmau“. Am Montag sind noch eine Demonstration und Abschlusskundgebung geplant. Dazu werden noch 500 Teilnehmer erwartet.

Seite 2 Leitartikel: Schizophrener Protest