Washington. Bevor er in den Wahlkampf um das Präsidentenamt einsteigt, tourt er durch Europa

Vor dem Hauptakt auswärts aufs Podium zu steigen und fürs heimische Fernsehpublikum weltmännisches Profil zeigen, das gehört zu den Standardübungen amerikanischer Präsidentschaftskandidaten in spe. Vor sieben Jahren, bei Barack Obama und seinen 200.000 Zuhörern an der Siegessäule in Berlin, lief es ziemlich gut. Mitt Romney dagegen trat 2012 in Großbritannien knietief in den Fettnapf, als er Zweifel an der Olympia-Tauglichkeit Londons säte. Wie wird sich John Ellis Bush, kurz „Jeb“, morgen Abend im Berliner Hotel Interconti schlagen? Beim großen Ballyhoo des CDU-Wirtschaftsrates hält der 62-Jährige zum Auftakt einer einwöchigen Europa-Reise, die ihn später nach Polen und Estland führt, eine Rede und stellt sich den Fragen des ausgesuchten Publikums.

Sein größtes Problem sind diefamiliären Präsidenten-Vorgänger

Letzte Gelegenheit, den Sohn des 41. und jüngeren Bruder des 43. Präsidenten Amerikas gewissermaßen in „Freiheit“ zu sehen. Unmittelbar nach seiner Rückkehr wird sich Bush III am 15. Juni in Miami offiziell in das auf republikanischer Seite bereits üppige Teilnehmerfeld für das Rennen ums Weiße Haus in 17 Monaten einreihen.

Knapp 100 Millionen eingesammelte Spenden-Dollar und nicht zuletzt sein untrennbar mit dem polit-dynastischen Familiennamen verbundenes Netzwerk in die Schaltzentralen von Politik und Wirtschaft machen den ehemaligen Gouverneur von Florida der Papierform nach zum Favoriten für die Anfang 2016 beginnenden parteiinternen Vorwahlen. Gleichwohl wundern sich konservative Kommentatoren darüber, dass Jeb Bush in dem seit einem halben Jahr laufenden Vor-Vor-Wahlkampf keine Dominanz in den Umfragen erlangt hat.

Die Antwort gibt verklausuliert ausgerechnet sein früherer Zögling und heutiger Mitbewerber Marco Rubio. Für ihn (und andere Aspiranten wie Ted Cruz oder Rand Paul) steht Bush III für die „alten Zeiten“. Und mit denen tut sich der studierte Latein-Amerikanist äußerst schwer.

Bushs größtes Problem sind seine familiären Vorgänger im höchsten Staatsamt. Nicht zu viel Abstand suchen, das vergrätzt die alten Republikaner. Nicht zu viel auf Kontinuität setzen, das schreckt moderate Konservative ab, die den Irak-Krieg für einen der größten Fehler in der jüngeren amerikanischen Geschichte halten: Bis heute hat Jeb Bush noch keine richtige Balance gefunden. Geschweige denn ist klar zu erkennen, was er mit der Welt anstellen würde, sollte er denn seine wahrscheinliche Konkurrentin Hillary Clinton an der Wahlurne schlagen.