Elmau. Politiker, Demonstranten und Sicherheitskräfte bereiten sich auf das Treffen der G7 in der bayerischen Idylle von Elmau vor

Hier ist Schluss. Wer es mit einer Akkreditierung überhaupt bis zum Mauthäuschen der Privatstraße zum Schloss Elmau geschafft hat, kommt nicht mehr weiter. An dem Kontrollpunkt wenige Kilometer vorm Tagungsort des G7-Gipfels beginnt der Sicherheitsbereich. Nur wer einen Sonderausweis hat, darf durch. Dafür sorgen bewaffnete Beamte des Bundeskriminalamts (BKA). Die bayerische Polizei hat hier nichts mehr zu sagen. Zwei Tage vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs von sieben führenden Industrienationen wächst die Nervosität bei den Sicherheitsbehörden.

Auch auf der Gegenseite laufen die Vorbereitungen für den Gipfel. Es ist ein grandioser Ort, den die Organisatoren von „Stop G7“ für ihr Protestcamp in Garmisch-Partenkirchen gefunden haben. Ihre veganen Nudeln auf dem Teller, sitzen die Camper auf der Wiese und schauen in die Ferne: Dort glüht die Wettersteinwand in sattem Abendrot. Es ist kaum vorstellbar, dass die Staats- und Regierungschefs es drüben auf Schloss Elmau schöner haben könnten als hier. Sie können ihre geschwollenen Füße auch nicht in die wild rauschende Loisach halten.

„Wer will, kann glutenfreie Nudeln kriegen“, ruft einer. Bier gibt die Küche erst nach 18 Uhr aus. Schließlich sei dies hier eine politische Veranstaltung, mahnt ein Schild die Protestler. Nicht, dass das jemand vergessen hätte: Um direkte Demokratie kreisen die Gespräche zwischen den Zelten, um den gescheiterten Kapitalismus, um die CSU und die SPD. Trotzdem ist an jeden Fall gedacht: „Sonnenmilch und Kondome“ bietet jemand auf einem Plakat an.

Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Am Sonntagvormittag werden die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen im 15 Kilometer entfernten Schloss Elmau eintreffen. Um 13 Uhr begrüßt Bundeskanzlerin Angela Merkel sie offiziell. Der größte Polizeieinsatz der Geschichte Bayerns – mehr als 17.000 Beamte – wird dann in vollem Gang sein. Die Demonstrationen im Vorfeld in München und Garmisch-Partenkirchen sind ausgesprochen friedlich verlaufen.

Einen ersten Erfolg können die Gipfelgegner juristisch verbuchen. Das Verwaltungsgericht München hat zwar das Verbot einer Demonstration in Hör- und Sichtweite von Schloss Elmau bestätigt. Allerdings genehmigt es den G7-Gegnern, mit einer Delegation von bis zu fünfzig Teilnehmern in Hör- und Sichtweite zum Schloss zu protestieren. Die Protest-Delegation muss aber auf einer ihr zugewiesenen Fläche bleiben und sich Personenkontrollen unterziehen. Außerdem darf die Versammlungsbehörde Einschränkungen etwa zur Dauer des Protests machen.

Die Gastgeberin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), hat friedliche Demonstrationen gegen den Gipfel als Ausdruck lebendiger Demokratie gewürdigt. „Wir haben in der Geschichte Europas gesehen, wohin es geführt hat, wenn nicht gesprochen wurde“, verteidigt sie das Treffen von sieben Staats- und Regierungschefs gegen Kritik an Millionen-Kosten und angeblich vagen Beschlüssen. „Die Regierungschefs der G7 müssen in einer Welt voller Konflikte die Möglichkeit haben, auf einem solchen Gipfel miteinander zu beraten.“ Merkel warnt vor zu hohen Erwartungen an den Gipfel: „Man kann von einem Sonntag und einem Montag in Elmau nicht die Lösung aller Konflikte erwarten.“

Die G7 stehen für ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung, aber nur elf Prozent der Weltbevölkerung. Der Gipfel in Elmau steht unter dem Motto „An morgen denken, gemeinsam handeln“. Es gilt als Vorbereitung für die kommenden Uno-Konferenzen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) und zum Klima. Als Gäste reisen neben den sieben Staats- und Regierungschefs unter anderen auch die Staats- und Regierungschefs aus Tunesien, Nigeria und Irak an. Für die Europäische Union sitzen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk mit am Tisch. Außerdem werden Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde und Weltbank-Präsident Jim Yong-kim erwartet.

Nicht nur die Gipfel-Agenda ist anspruchsvoll. Dutzende Nichtregierungsorganisationen dringen auf mehr verbindlichen Einsatz für Umwelt, Kinder und die Rechte von Arbeitnehmern. Das kirchliche Hilfswerk Misereor pocht auf Verpflichtungen der Industrieländer, verstärkt die Menschenrechte bei weltweiten Lieferketten und in der Landwirtschaft zu achten. „Alle 15 Sekunden stirbt ein Mensch durch einen Arbeitsunfall oder durch eine arbeitsbedingte Erkrankung, meist in der Landwirtschaft oder im Bergbau“, beklagt etwa Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.

Grüne fordern mehr Klimaschutz, der BDI mehr Freihandel

Mit einer Aktion auf Deutschlands höchstem Berg haben die Grünen von den G7-Staaten verbindliche Ergebnisse beim Klimaschutz gefordert. Auf einem großen Banner war am Freitag auf dem Gipfel der 2962 Meter hohen Zugspitze zu lesen: „Das Wasser steht uns bald bis hier.“ Es sei höchste Zeit zu handeln, erklärt dazu die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. „Die Welt erwartet Taten statt warmer Worte.“

Auf der anderen Seite fordert etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) größeren Einsatz für mehr Freihandel – sprich für das umstrittene und von Gipfel-Kritikern entschieden abgelehnte TTIP-Abkommen mit den USA. Viele Wünsche dürften da unerfüllt bleiben.