Kiew/Jerusalem. Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf Tour durch die Krisenregionen in Osteuropa und Nahost – ein mühseliges Geschäft

In ihrer ostukrainischen Heimatstadt Donezk besaßen Tamara Soloshehenko und ihre Familie ein Haus, jetzt müssen 30 Quadratmeter in einem Flüchtlingslager reichen. Bett, Sofa, Tisch, Kochgelegenheit, das ist das neue Zuhause für sie, die beiden Kinder, Schwester und Mutter in einem weißen Wohncontainer am Stadtrand von Dnipropetrowsk. „Wir waren in Not, es war gefährlich“, berichtet die 31-Jährige über die Flucht vor den prorussischen Separatisten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nickt, er hat sich bei der Familie aufs Sofa gequetscht, jetzt macht er eine große Zusage: „Ich verspreche Ihnen, wir bemühen uns darum, dass Sie wieder ohne Gefahr nach Donezk zurückkehren können.“ Allerdings, schränkt er ein, werde eine politische Lösung Zeit brauchen.

Es ist ein schwieriger Besuch des Außenministers hier im Osten der Ukraine nahe der Separatistengebiete. In dem Flüchtlingslager, das die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) errichtet hat, leben 250 Menschen. Das Containerdorf ist für Steinmeier ein Beleg, dass sich die Bundesregierung früh um Hilfe bemüht hat. Der Minister verspricht auch, bei dieser Unterstützung nicht nachzulassen. Der Empfang für ihn ist herzlich. „Danke für alles, was Sie für die Ukraine getan haben“, sagt der Direktor des Flüchtlingslagers. Aber insgesamt leben wegen des Konflikts um die Ostukraine rund 1,2 Millionen Binnenflüchtlinge im Land. Und ihre Lage ist schwierig, wie Steinmeier bei einem Gespräch mit dem Bezirks-Gouverneur und Hilfsorganisationen erfährt. „Wir haben es in diesem Konflikt mit der größten humanitären Katastrophe in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun“, sagt der Chef des ukrainischen Caritas-Verbandes, Andrij Waskowycz. Den Flüchtlingen fehle eine Perspektive, viele hätten keine Arbeit, und unter ihnen seien mindestens 300.000 Kinder, die Zeugen von Gewalttaten und Bombardierungen geworden seien:

Dass sich die Lage in der Ukraine stabilisiert, vermag Steinmeier nicht zu versprechen. Der im Februar vereinbarte Waffenstillstand ist nicht nur brüchig, in Dnipropetrowsk spricht der Minister offen von einer Eskalation: „Wir haben teilweise wieder einen heißen Konflikt. Wir müssen immer wieder mit Rückschlägen leben.“ Das Minsker Abkommen trägt sich nicht von selbst, der Ton zwischen der Ukraine und den Separatisten ist scharf, neues Vertrauen entsteht nicht. Die Lage wird erschwert durch das unkalkulierbare Verhalten der russischen Seite. Mal beobachtet man in Berlin das Bemühen Russlands, sich aus der Isolierung zu befreien, dann häufen sich Meldungen über neue Truppenkonzentrationen an der ukrainischen Grenze, während es Versuche gibt, sich aus der Lösung des Konflikts ganz zurückzuziehen – dabei ist eine Lösung ohne Moskau kaum möglich.

Als wichtigster Vermittler der EU in dieser Krise muss sich die Bundesregierung immer wieder einschalten, die Beteiligten zu Gesprächen drängen. Das ist vor allem Steinmeiers mühseliger Job. Kein Tag, an dem er sich nicht mindestens einmal mit dem Ukraine-Konflikt befasst. Über sein Krisenmanagement hat Steinmeier einmal gesagt: „Man darf nicht aufgeben, nicht nachlassen, muss immer wieder neu ansetzen.“

Der Airbus der Luftwaffe istzu einer Art zweiter Wohnsitz geworden

Nicht nur in der Ukraine. Der Einsatz in internationalen Konflikten kostet den Minister viel Zeit und Kraft, das ist die Konsequenz aus seiner Überzeugung, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen: „Es gibt keine Krise mehr, die uns fern ist.“ Der Airbus der Luftwaffe ist deshalb für ihn zu einer Art zweiter Wohnsitz geworden.

So fliegt Steinmeier am Wochenende aus der Ostukraine gleich weiter nach Israel. Dort will er ausloten, wie nach der Regierungsbildung Bewegung in den Nahost-Friedensprozess gebracht wird. Doch die Aussichten sind derzeit schlecht, wie der Minister in Jerusalem erneut erfahren muss. Bei einem Gespräch mit Premier Benjamin Netanjahu fordert er Israel zu neuen Verhandlungen mit den Palästinensern über einen eigenen palästinensischen Staat auf und warnt vor einem neuen Gazakrieg.

Der konservative Premier zeigt sich zwar grundsätzlich zu einer Zwei-Staaten-Lösung bereit – aber die Bedingungen dafür seien derzeit nicht erfüllt, schuld seien die Palästinenser. Israel brauche von ihnen eine Garantie, dass aus ihren Gebieten keine Anschläge geplant würden.

Dann geht es für Steinmeier weiter zu einem Gespräch in der Palästinensischen Autonomiebehörde. Dort macht der Ministerpräsident Rami Hamdallah wiederum Israel für die Blockade verantwortlich. Der deutsche Gast zeigt Verständnis für die Ungeduld der Palästinenser, mahnt aber, Friedensgespräche seien der einzige Weg. Nur für ein paar Stunden hat das Krisenmanagement dann Pause: Am Sonntagnachmittag wird Steinmeier feierlich die Ehrendoktorwürde der Hebräischen Universität Jerusalem verliehen – als Anerkennung unter anderem für seine Bemühungen im Nahost-Konflikt. Am Montag geht seine Mission weiter. Dann besucht Steinmeier den Gazastreifen, wo die Lage nach wie vor als explosiv gilt. Ein neuer Krieg dort, warnt der Minister, wäre für alle „die schlechteste Entwicklung“.