Berlin. Geheimdienst-Affäre setzt Kanzleramt doppelt unter Druck. USA erwarten mehr Diskretion, die SPD eine Offenlegung der NSA-Spähliste

Der Kurs der SPD-Spitze in der deutsch-amerikanischen Spähaffäre führt zu wachsendem Verdruss beim Koalitionspartner. Mit massiven Vorwürfen reagierte die CSU am Pfingstwochenende auf eine Fristsetzung von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi an das Kanzleramt. Auch die CDU äußerte Unverständnis.

Fahimi hatte der „Bild am Sonntag“ mit Blick auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt: „Ein Aussitzen dieser Affäre wird es mit der SPD nicht geben.“ Und: „Ich erwarte, dass das Kanzleramt bis zur nächsten Sitzungswoche endlich Klarheit darüber schafft, wie der Bundestag in geeigneter Art und Weise die Selektorenliste prüfen kann.“

Diese enthält Mail-Adressen und Telefonnummern, die der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) dem Bundesnachrichtendienst (BND) zur Überwachung übermittelte. Die SPD fordert zusammen mit der Opposition, dass die Liste auch gegen den Willen der USA vom Bundestag geprüft werden kann.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nahm SPD-Chef Sigmar Gabriel persönlich in die Pflicht: Der Vizekanzler müsse „jetzt den Wirrwarr in seiner Partei beenden und sich klar auf die Seite der Regierungsverantwortung stellen“. Fahimi betreibe „parteiinterne Opposition“, sagte Scheuer. „Wir als CSU konzentrieren uns auf die Zusammenarbeit mit denen in der SPD, die konstruktiv sind und die Kooperation der Dienste zum Schutz der westlichen demokratischen Welt befürworten.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, hielt der SPD eine verwirrende Taktik vor: „Wir haben als Union in den letzten Wochen gelernt, was Meinungsvielfalt in der SPD bedeutet: Erst poltert Frau Fahimi los. Dann korrigiert Herr Gabriel öffentlich seine Generalsekretärin. Und zu guter Letzt einigt man sich auf einen Kompromissvorschlag von Herrn Oppermann. Da stellt sich die Frage, ob die SPD das nicht professioneller regeln könnte.“ Gabriel hatte am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ betont, in Fahimis Forderung nach einer Offenlegung der umstrittenen Liste von NSA-Spähbegriffen (Selektoren) bis zum 8. Juni sehe er „nicht gerade eine Zuspitzung“. Der SPD-Chef betonte zugleich, neben Aufklärung und Kontrolle der Geheimdienste liege auch deren Funktionsfähigkeit im „Staatsinteresse“. Nach seinen Worten sollte ein Fachmann die Liste anschauen, bewerten und Hinweise zur Kon­trolle der Dienste durch Parlament und Kanzleramt geben. Laut „Welt am Sonntag“ ist dafür der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, im Gespräch.

Die USA lehnen eine Veröffentlichung der Liste mit Suchbegriffen ab und verstärken den Druck auf das Kanzleramt. Laut „Bild“-Zeitung lässt US-Geheimdienstdirektor James Clapper die Zusammenarbeit mit dem BND prüfen. Die USA hätten gemeinsame Projekte und Kooperationen gestoppt. Zudem weiten die US-Geheimdienste ihre Aktivitäten hierzulande aus, um zu verhindern, dass US-Staatsgeheimnisse verraten werden.